1. Home
  2. Presse
  3. In den Medien
  4. Wer Antikapitalismus zum Programm der Klimapolitik macht, verliert am Ende beides – Wohlstand und Klimaverträglichkeit
Zeige Bild in Lightbox Seitenansicht des Aufladens von Elektroautos im Parkhaus. Konzept für saubere Energie.
Seitenansicht des Aufladens von Elektroautos im Parkhaus. Konzept für saubere Energie.
Hubertus Bardt in der Neue Zürcher Zeitung Gastbeitrag 7. August 2024

Wer Antikapitalismus zum Programm der Klimapolitik macht, verliert am Ende beides – Wohlstand und Klimaverträglichkeit

Veränderungsdynamik, Innovationsfähigkeit und Effizienzanreize sind die Motoren für den Klimaschutz. Nur wettbewerbliche Marktwirtschaften können das bieten, schreibt IW-Geschäftsführer Hubertus Bardt in einem Gastbeitrag für die Neue Zürcher Zeitung.

In der Klimabewegung wird oft behauptet, der Kapitalismus sei verantwortlich für den Klimawandel und müsse folglich im Namen des Klimaschutzes abgeschafft werden. «Klimakiller Kapitalismus», «Klima retten, Kapitalismus abschaffen», «Kapitalismus vs. Klima» – diese und ähnliche Slogans finden sich auf Büchern, in Diskussionsforen und an Demonstrationen. Aus der Sorge um das Klima wird eine Systemfrage gemacht: Die Kapitalismuskritiker haben das Klimathema für sich entdeckt.

Es klingt so plausibel: Mit höherem Wohlstand sind die Emissionen entstanden, der Wohlstand kam mit dem Kapitalismus – also muss der Kapitalismus weg, um die Emissionen loszuwerden. Aber der Wohlstand möge bitte bleiben. Also brauchten wir entweder Wachstumsverzicht oder gleich ein ganz anderes Wirtschaftsmodell.

Der Kapitalismus, so wird behauptet, müsse zwingend immer mehr produzieren und damit auch immer mehr emittieren und sei zur Lösung des Klimaproblems ungeeignet. Er könne Ressourcen nicht schonen, sondern nur vernichten. Die Fähigkeit der Atmosphäre, Treibhausgase ohne erhebliche Konsequenzen aufzunehmen, müsse ernst genommen werden, der Kapitalismus müsse dafür weichen.

Dass Märkte ungeeignet wären, mit Knappheiten umzugehen, ist ein fundamentaler Denkfehler der Klima-Antikapitalisten. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Für kaum etwas sind Wettbewerbsmärkte so gut geeignet wie für die bestmögliche Lösung von Knappheitsproblemen. Wenn etwas in einer Marktwirtschaft knapp ist, wird es teurer. Wenn es teurer wird, werden die knappen Güter dort eingesetzt, wo sie am meisten Nutzen stiften können und daher den besten Preis erzielen. Und die höheren Preise sorgen für einen Rückgang der Nachfrage auf der einen und für Bemühungen zur Ausweitung des Angebots auf der anderen Seite. Wettbewerb ist zugleich Effizienz- und Innovationsmotor zur Lösung der Knappheitsprobleme.

Beispiel Lithium-Markt

Wie der Wettbewerb wirkt, zeigt der Lithium-Markt. Lithium ist ein Schlüsselelement für die Batterien, die für Elektromobilität benötigt werden. Für den Klimaschutz im Verkehrssektor ist der Rohstoff zentral. Die heutige Produktion würde für die zukünftig stark ansteigenden Bedarfe keinesfalls ausreichen. Damit entstehen Chancen auf beiden Seiten des Marktes. Weltweit entstehen neue Projekte zur Rohstoffgewinnung, um die steigende Nachfrage zu bedienen und von der hohen Zahlungsbereitschaft zu profitieren. Zahlreiche Förderländer wollen auch gleich in die Batterieproduktion einsteigen und damit von der Wertschöpfung vor Ort profitieren. Auf der anderen Seite führen die drohenden Knappheiten und potenziell hohe Preise dazu, dass Forschung und Entwicklung gestärkt werden, um mit weniger Lithium auszukommen oder ganz andere Batterien zu erfinden.

Der Wettbewerb führt also zu mehr Produktion, effizienteren Batterien und innovativen Technologien, um besseren Klimaschutz im Verkehr betreiben zu können. Was wäre die Alternative? Die Lithium-Förderung wäre kleiner, Elektromobilität würde behindert, und es könnten weniger klimaschonende Verkehrsangebote für Güter und Personen gemacht werden.

So wie Marktprozesse besonders gut mit Knappheiten von Rohstoffen umgehen können, kann dies auch beim Klimaschutz funktionieren. Da die Atmosphäre nur in bestimmtem Umfang Treibhausgase aufnehmen kann, ohne dass es zu starken Schäden durch den Klimawandel kommt, ähnelt sie einer nichterneuerbaren natürlichen Ressource. Seltene Metalle können knapp sein, entsprechend auch die Menge an klimaverträglichen Emissionen knapp. Rohstoffe sollen da eingesetzt werden, wo sie am meisten Nutzen bringen. Auch die Emissionen sollen dort zugelassen werden, wo ihnen der größte Nutzen gegenübersteht.

Durch Exploration können neue Rohstoffvorkommen gefunden werden, und es können neue Einlagerungspotenziale gesucht werden, um die zulässigen Emissionsmengen zu erhöhen. So wie ein hoher Preis zu ressourcenschonender Produktenwicklung führt, kann der Preismechanismus der Marktwirtschaft Anstrengungen zur Emissionssenkung bewirken.

Wenn Treibhausgasemissionen durch Märkte bewirtschaftet werden, bestehen wirtschaftliche Anreize, den Ausstoß zu reduzieren und, soweit möglich, zusätzliche Lagerstätten zu identifizieren. Treibhausgase werden unter Marktbedingungen dort eingespart, wo dies am wirtschaftlichsten ist. So kann bei gleichem Aufwand das meiste für den Klimaschutz getan werden. Vor allem gilt aber auch hier, dass Wettbewerb zu Effizienz und Innovation führt. Mit diesen Innovationsanreizen kann es gelingen, die Dekarbonisierung schneller und mit geringen gesellschaftlichen Kosten zu realisieren.

Preismechanismen für Emissionen nötig

Um die Marktkräfte für den Klimaschutz zu nutzen, ist ein globaler Preismechanismus für alle Emissionen am besten geeignet. Davon ist die Weltgemeinschaft auch nach mehr als drei Jahrzehnten internationaler Klimakonferenzen weit entfernt. In der Europäischen Union ist das Prinzip immerhin mit dem Emissionshandel für Industrie und Energiewirtschaft teilweise realisiert. Daneben gibt es in einzelnen Ländern noch nennenswerte Steuern oder Förderansätze. Der größte Teil der Emissionen ist aber nicht bepreist, sondern unterliegt höchstens staatlicher Regulierung – wenn überhaupt.

Auch in Deutschland liegen partielle Preissignale und spezielle Regulierungen nebeneinander. Bepreisung kann Regulierung auch nicht vollständig ersetzen. Soweit damit aber der Wettbewerb um die besten Klimaschutzmaßnahmen beschränkt wird, machen staatliche Vorgaben die Dekarbonisierung teuer und ineffizient. Differenzierte Reduktionsziele machen teuren Klimaschutz unumgänglich, während günstigere Maßnahmen unterbleiben.

Wie der Wettbewerb wirkt, zeigt die Automobilindustrie. Auch hier sollen die Emissionen reduziert werden, obwohl die Vermeidungskosten dieses Sektors vielfach besonders hoch sind. Elektroautos sind das Instrument der politischen Wahl. Auch wenn diese mit einer Mischung aus Förderung und Regulierung unterstützt werden, müssen sie sich immer noch im Wettbewerb behaupten. Schließlich können sich die Kunden zwischen batterieelektrischen Autos, Hybriden und Verbrennern entscheiden.

Wenn die Autohersteller sich mit ihren E-Autos am Markt durchsetzen wollen, müssen sie sich auf mehreren Ebenen gegen Wettbewerber durchsetzen: gegen Newcomer aus China, Tesla und andere Hersteller, gegen andere alternative Antriebe auf Wasserstoffbasis, gegen andere Verkehrsträger und insbesondere auch gegen Autos mit Verbrennungsmotor. Der Wettbewerbsdruck ist immens, die Unternehmen sind zu Innovationen gezwungen, die die Produkte besser machen. Reichweiten werden höher, das Lademanagement wird besser, Autos werden attraktiver. Damit wird Fortschritt beim Klimaschutz beschleunigt und die Leistungen für die Kunden verbessert.

Wo sich Mittel für die Veränderung finden

Was wäre die Alternative? Ohne Wettbewerb und ohne das Eigeninteresse der Unternehmen müsste eine Technologie vorgegeben werden. Der Anreiz zur Verbesserung wäre verschwunden. E-Autos würden langsamer attraktiv werden und sich erst mit Verzögerung durchsetzen. Der Fortschritt würde zur Schnecke werden. Klimaschutz und Wohlstand wären gleichermaßen zurückgeworfen.

Auch in der Industrie funktioniert Klimaschutz nur im Kapitalismus. Nur eine dynamische Wirtschaft kann sich modernisieren und damit Emissionen vermeiden. Ohne die Perspektive auf zukünftige Geschäfte wird kein Stahlunternehmen auf Wasserstoff umstellen – selbst mit der heutigen Förderung in Milliardenhöhe. Innovationen und Investitionen sind Voraussetzung für den Klimaschutz und werden in dynamischen Marktwirtschaften am besten unterstützt.

Marktwirtschaften haben die Mittel für die Veränderung: Wohlstand, der für Klimaschutz eingesetzt werden kann, und Innovationen, die eine klimafreundliche Entwicklung ermöglichen. Es ist kein Zufall, dass die sozialistischen Planwirtschaften neben maroder Industrie und erheblichen Wohlstandsrückständen auch Energieverschwendung und Umweltverwüstung hinterlassen haben.

Klimaschutz ist auf die Veränderungsdynamik, die Innovationsfähigkeit und die Effizienzanreize angewiesen, die nur wettbewerbliche Marktwirtschaften bieten. Die Aufgabe besteht darin, die soziale Marktwirtschaft entsprechend weiterzuentwickeln und den für die Berücksichtigung der klimapolitischen Ziele notwendigen Ordnungsrahmen zu gestalten – und nicht, den Kapitalismus zu überwinden. Wer Antikapitalismus zum Programm der Klimapolitik macht, verliert am Ende beides: Wohlstand und Klimaverträglichkeit.

Zum Gastbeitrag auf nzz.ch

Mehr zum Thema

Artikel lesen
Gemeinsam die Industrietransformation voranbringen
Malte Küper Veranstaltung 5. September 2024

Wissenschaft trifft Wirtschaft IV: Gemeinsam die Industrietransformation voranbringen

Am 5. und 6. September 2024 wird die Veranstaltung „Wissenschaft trifft Wirtschaft” unter dem Motto „Gemeinsam die Industrietransformation voranbringen” zum vierten Mal im Rahmen von SCI4climate.NRW und koordiniert durch das Wuppertal Institut stattfinden.

IW

Artikel lesen
Michael Hüther im Unternehmermagazin Creditreform Gastbeitrag 1. August 2024

Wir müssen dringend investieren

Gut 600 Milliarden Euro. Diese Summe braucht Deutschland in den nächsten zehn Jahren, um Bildung und Infrastruktur wieder auf Vordermann zu bringen und das Land fit für die Dekarbonisierung zu machen, schreibt IW-Direktor Michael Hüther für das ...

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880