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Andrea Hammermann / Ruth Schüler / Oliver Stettes IW-Kurzbericht Nr. 74 6. Oktober 2024 Wer will im Rentenalter arbeiten?

Mehr als jeder dritte Beschäftigte kann sich vorstellen, nach dem Renteneintritt zu arbeiten. Die IW-Beschäftigtenbefragung 2024 zeigt, dass dies davon abhängt, wie Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer ihr jetziges Arbeitsumfeld erleben und welche Motive für sie handlungsleitend sein könnten, wenn sie die Entscheidung über ihren Eintritt in den Ruhestand treffen werden.

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Wer will im Rentenalter arbeiten?
Andrea Hammermann / Ruth Schüler / Oliver Stettes IW-Kurzbericht Nr. 74 6. Oktober 2024

Wer will im Rentenalter arbeiten?

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Mehr als jeder dritte Beschäftigte kann sich vorstellen, nach dem Renteneintritt zu arbeiten. Die IW-Beschäftigtenbefragung 2024 zeigt, dass dies davon abhängt, wie Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer ihr jetziges Arbeitsumfeld erleben und welche Motive für sie handlungsleitend sein könnten, wenn sie die Entscheidung über ihren Eintritt in den Ruhestand treffen werden.

Der Renteneintritt muss nicht gleich Ruhestand bedeuten. Zum Jahresende 2022 waren laut Angaben der Deutschen Rentenversicherung rund 1,35 Millionen der 18,6 Millionen Rentnerinnen und Rentner erwerbstätig (Drahs-Walkemeyer, 2024). Auch unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die die Regelaltersgrenze erst in Zukunft erreichen werden, ist das Thema Arbeit im Ruhestand kein Tabu, wie die IW-Beschäftigtenbefragung 2024 zeigt.

Gut ein Drittel der abhängig Beschäftigten kann sich hierzulande vorstellen, nach dem Renteneintritt zu arbeiten (36 Prozent). Selbst unter denjenigen, die bereits zuvor aus dem Erwerbsleben ausscheiden wollen und sich aufgrund von individuell empfundenen Einschränkungen hierzu auch gezwungen sehen, sind viele gegenüber dem Arbeiten im Ruhestand grundsätzlich aufgeschlossen. Das trifft immerhin auf fast jeden zehnten Befragten zu.

Personenmerkmale als Einflussfaktor

Wer zur Gruppe der 55-jährigen und älteren Beschäftigten gehört, kann dem Gedanken, länger als bis zur gesetzlichen Regelaltersgrenze zu arbeiten, mehr abgewinnen als die unter 30-Jährigen. Mit dem Heranrücken des eigenen Renteneintritts mag für den einen oder die andere die Aussicht auf den Ausstieg aus dem Erwerbsleben weniger attraktiv erscheinen als die empirisch zu beobachtenden Wünsche nach einem vorgezogenen Renteneintritt vermuten lassen (vgl. hierzu z. B. Hammermann/Schüler, 2024; Ebener et al., 2023).

Es überrascht wenig, dass Beschäftigte, die ihren Gesundheitszustand zum Befragungszeitpunkt eher als schlecht einschätzten, sich zurückhaltend äußern, ob sie sich das Arbeiten im Ruhestand vorstellen können. Offen bleibt dabei erstens, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine negative Einschätzung prägen. Zweitens ist damit auch unklar, ob die Auskunft ein vorübergehendes Stimmungsbild oder anhaltende Gesundheitsprobleme widerspiegelt.  

Personen mit einer abgeschlossenen Hochschulausbildung und Führungskräfte stehen einer Arbeit im Ruhestand offener gegenüber als ihre jeweiligen Vergleichsgruppen (Beschäftigte ohne beruflichen Abschluss und ohne Führungsverantwortung). Denkbar ist, dass geringere körperliche Belastungen, größere individuelle Spielräume für die Gestaltung von Arbeitsinhalten, Aufgaben und in Arbeitszeitfragen im jetzigen Job dem Arbeiten im Ruhestand den Weg ebnen.

Arbeitserleben und Arbeiten im Ruhestand

Die IW-Beschäftigtenbefragung 2024 kann nur wenige Hinweise geben, welche konkreten Arbeitsplatzmerk-male die Entscheidung für oder gegen eine verlängerte Lebensarbeitszeit beeinflussen. Deutlich wird aber: Wie Menschen ihre jetzige Arbeit erleben, spielt eine große Rolle dafür, ob sich eine Person vorstellen kann, auch nach dem Renteneintritt zu arbeiten.

  • Wenn Beschäftigte mit ihrem jetzigen Job zufrieden sind, weisen sie eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit auf, sich auch eine Fortsetzung ihres Arbeitslebens nach Renteneintritt vorstellen zu können (+ 5,9 Prozentpunkte; s. Abbildung).  
  • Stark engagierte Personen können sich ebenfalls eher vorstellen, nach dem Renteneintritt zu arbeiten (+ 8,6 Prozentpunkte). Die Begeisterung für ihre Arbeit oder die Überzeugung, eine wichtige Arbeit zu verrichten und gute Arbeitsergebnisse hervorzubringen, leisten dem Gedanken Vorschub, länger beruflich aktiv zu bleiben.  
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Arbeitszufriedenheit und Engagement sind Faktoren, die unter anderem von der Führungs- und Arbeitskultur sowie von der Gestaltung der Arbeitsprozesse und des Arbeitsumfelds abhängen. Unternehmen haben es daher auch selbst in der Hand, einen eigenen Beitrag zur Förderung der Beschäftigungsbereitschaft im Rentenalter zu leisten. Welche Instrumente oder Maßnahmen hierfür konkret geeignet sind, ist von Betrieb zu Betrieb sowie Person zu Person verschieden und kann sich im Zeitablauf auch ändern.   

Renteneintrittsmotive und Arbeiten im Ruhestand

Wie zentral das Arbeitserleben die Einstellung zum Ruhestand beeinflusst, zeigt sich ebenso darin, dass zum Beispiel für die Hälfte der 50-jährigen und älteren Beschäftigten der Zeitpunkt für ihren Renteneintritt dann gekommen sein wird, wenn sie keinen Spaß an der Arbeit mehr verspürt (Hammermann/Schüler, 2024). Das hat zwar keinen signifikanten Einfluss auf den Wunsch, tatsächlich bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter arbeiten zu wollen, wirkt sich gleichwohl auf die Vorstellung aus, im Rentenalter zu arbeiten. Wer den Spaßfaktor für eine Renteneintrittsentscheidung betont, kann sich eher vorstellen, weiterbeschäftigt zu sein (+7,4 Prozentpunkte). In diesem Sinne unterscheiden sich Beschäftigte vor dem Erreichen des Renteneintrittsalters nicht von den tatsächlich beschäftigten Ruheständlern (vgl. hierzu z. B. Romeu Gordo et al., 2022).

Finanzielle Erwägungen spielen aus Sicht der heute noch berufstätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hingegen keine besondere Rolle. Die Sorge, im Rentenalter noch auf ein zusätzliches Erwerbseinkommen angewiesen zu sein, scheint eine in der Zukunft gelagerte Erwerbsentscheidung nicht stark zu prägen. Dies korrespondiert mit der untergeordneten Rolle finanzieller Motive bei beschäftigten Ruheständlern (Romeu Gordo et al., 2022). Bislang ist auch nicht zu beobachten, dass sich die Höhe der Renten zwischen erwerbstätigen und nichterwerbstätigen Ruheständlern unterscheiden würden (Schäfer, 2021).

Der starke Wunsch nach mehr Freizeit bei der Frage, wann der richtige Zeitpunkt für den Renteneintritt erreicht ist, geht hingegen mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit einher, sich eine Arbeit im Ruhestand vorstellen zu können. Dass Letztere nicht nur erwerbsmäßig sein muss, zeigt die positive Korrelation mit dem Wunsch, durch den Rentenzugang mehr Zeit für gesellschaftliches Engagement und familiäre Aufgaben zu gewinnen.    

Hammermann und Schüler (2024) zeigen, dass die Wahrnehmung, in ihrem Leben genug geleistet zu haben, für viele Beschäftigte eine wichtige Rolle spielt, wenn sie den richtigen Zeitpunkt für ihren persönlichen Renteneintritt benennen sollen. Wer dieses Motiv verinnerlicht hat, weist ebenso eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit auf, sich ein (Weiter-)Arbeiten nach dem Renteneintritt vorstellen zu können (-8,2 Prozentpunkte). Dieser Zusammenhang ist bei separater Betrachtung von unterschiedlichen Beschäftigtengruppen robust, fällt aber unter den 50-jährigen und älteren Beschäftigten besonders stark aus (-14,8 Prozentpunkte). Dies korrespondiert mit dem Befund von Romeu-Gordo et al. (2022, 8), wonach die Wahrnehmung, genug im Leben gearbeitet zu haben, mehr als acht von zehn nicht arbeitenden Ruheständlern von einer Erwerbstätigkeit im Rentenalter abhält.

Individuelle Einstellungen werden auch durch gesellschaftliche Erzählungen und Konventionen geprägt. Alle Beteiligten am öffentlichen Diskurs sollten sich die Frage stellen, ob die von ihnen gepflegten Narrative in der gewünschten Art und Weise auf die Entscheidungen von Personen wirken, die sich mit der Möglichkeit einer (Weiter-)Beschäftigung befassen, wenn sie sich der Regelaltersgrenze nähern. Mit dem Argument der erreichten Lebensleistung wird im öffentlichen Diskurs allzu leicht das vermeintliche Arbeitsleid in den Fokus gerückt, ohne die soziale Integration und Wertschätzung zu benennen, die mit einer Teilhabe am Arbeitsleben über das erzielte Entgelt hinaus verbunden sind. Werden solche, offensichtlich für die individuelle Erwartungsbildung maßgeblichen Motive vernachlässigt, drohen im schlimmsten Fall sämtliche monetären Positivanreize ins Leere zu laufen, mit denen man eine freiwillige Verlängerung der Lebensarbeitszeit motivieren möchte.

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