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Andrea Hammermann / Klaus-Heiner Röhl / Christian Rusche IW-Kurzbericht Nr. 43 29. Juni 2021 Start-ups: Zusammen erreicht man mehr

Am 1. Juli tritt das Fondsstandortgesetz in Kraft, in dem auch die Mitarbeiterbeteiligung neu geregelt wird. Auf diese Reform haben besonders Start-ups lange gewartet, denn die bisherigen Regelungen in Deutschland sind ein Standortnachteil im internationalen Wettbewerb um die besten Fachkräfte. Das neue Gesetz dürfte die Hemmnisse jedoch nur partiell abbauen.

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Zusammen erreicht man mehr
Andrea Hammermann / Klaus-Heiner Röhl / Christian Rusche IW-Kurzbericht Nr. 43 29. Juni 2021

Start-ups: Zusammen erreicht man mehr

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Am 1. Juli tritt das Fondsstandortgesetz in Kraft, in dem auch die Mitarbeiterbeteiligung neu geregelt wird. Auf diese Reform haben besonders Start-ups lange gewartet, denn die bisherigen Regelungen in Deutschland sind ein Standortnachteil im internationalen Wettbewerb um die besten Fachkräfte. Das neue Gesetz dürfte die Hemmnisse jedoch nur partiell abbauen.

Nach wie vor nutzen nur wenige Betriebe in Deutschland Kapitalbeteiligungen, wie Auswertungen auf Basis des IAB-Betriebspanels zeigen. Im Jahr 2019 waren es mit rund 2 Prozent ebenso viele wie 2001 (Kistler, 2020, 61). Kapitalbeteiligungen sind damit deutlich unattraktiver für Betriebe und ihre Mitarbeiter als Gewinn- beziehungsweise Erfolgsbeteiligungen, die rund 10 Prozent der Betriebe in Deutschland einsetzen. Größere Betriebe nutzen beide Formen finanzieller Anreize häufiger als kleinere (Bellmann/Möller, 2006, 3).

Gerade für Start-ups können Kapitalbeteiligungen jedoch besonders interessant sein, denn sie haben oft nur begrenzte Mittel für Grundgehälter und können über Beteiligungsmodelle ihre Attraktivität im Wettbewerb um hochqualifizierte Fachkräfte steigern. Das Finden der richtigen Fachkräfte ist für Start-ups oft die größte Herausforderung (BMWi, 2020, 99). So gaben 62 Prozent der Start-ups an, Probleme bei der Personalsuche zu haben (ebenda). Zugleich ist die Beteiligung ein Leistungsanreiz für die Beschäftigten, die als Miteigentümer an der Unternehmensentwicklung partizipieren. Für Start-ups hat die Beteiligung der Mitarbeiter somit Vorteile bei der Fachkräftegewinnung und Motivation. Eine Mitarbeiterbeteiligung ist auch für die Investoren in Start-ups interessant, für die die Abwanderung des erfolgskritischen Humankapitals ein großes Risiko darstellt. Da die Entwicklung von Start-ups mit großer Unsicherheit behaftet ist, bedeuten Beteiligungen allerdings auch eine Wette auf die Zukunft, die durch das Auseinanderfallen von Beitrags- und Steuerfälligkeiten sowie dem finanziellen Ertrag für eher risikoscheue Bewerber und Beschäftigte unattraktiv ist. Die regulatorische Behandlung von Mitarbeiterbeteiligungen hat daher einen erheblichen Einfluss auf deren Anwendung und damit auf die Standortbedingungen für Start-ups. Diesbezüglich kommt eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums zu dem Schluss, dass Deutschland zu den EU-Staaten „mit den am wenigsten entwickelten Sonderregelungen für die Einführung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungsmodellen in Start-ups“ (BMWi, 2020, 98) gehört.

Eine Umfrage unter Gründern, Investoren und Mitarbeitern von Start-ups verdeutlicht, wo konkret der größte Handlungsbedarf besteht (Abbildung; IE.F, 2020). Die Höhe der Steuersätze stellt für die drei Gruppen jeweils die größte Herausforderung bei der Umsetzung der Mitarbeiterbeteiligung dar. 84 Prozent der Mitarbeiter, 69 Prozent der Investoren und 53 Prozent der Gründer gaben diese Antwort. Aus Sicht der Mitarbeiter folgen nach den Steuersätzen mit 75 Prozent die komplexe Administration und mit 72 Prozent der ungünstige Zeitpunkt der Besteuerung – nämlich unter Umständen vor der Monetarisierung, sodass die Steuer aus anderen Finanzmitteln gezahlt werden muss, was die Mitarbeiter finanziell überfordern kann. Für die Gründer kamen die unzureichende Rechtssicherheit mit 35 Prozent und der ungünstige Zeitpunkt mit 33 Prozent auf die Plätze 2 und 3. Aus Sicht der Investoren stellen diese Punkte ebenfalls wichtige Herausforderungen dar.

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Mit dem Fondstandortgesetz, das am 3. Juni 2021 endgültig beschlossen wurde (Bundesgesetzblatt, 2021), hatte der Gesetzgeber nun die Chance, diese Hemmnisse zu beseitigen und den Standort zu stärken. Der Bundesrat (2021) stellt hierzu aber fest, dass die Maßnahmen nicht ausreichen, um deutsche Start-ups im internationalen Wettbewerb nach vorn zu bringen.

Besteuerung

Die bestehenden Probleme bei Umfang und Zeitpunkt der Besteuerung werden durch die Gesetzesnovelle nicht umfassend gelöst. Im Falle eines Arbeitgeberwechsels würde sofort die Steuer fällig, ebenso wie nach Ablauf von zwölf Jahren seit der Gründung des Unternehmens oder Übertragung der Anteile. Diese Besteuerung von nicht verfügbarem „Dry Income“ bleibt problematisch. Positiv ist hingegen, dass der Freibetrag von derzeit 360 Euro auf 1.440 Euro vervierfacht werden soll – anfangs war nur eine Verdoppelung vorgesehen. International liegen die Freibeträge häufig in ähnlicher Größenordnung oder sogar deutlich höher (z. B. 1.200 Euro in den Niederlanden und umgerechnet circa 3.500 Euro im Vereinigten Königreich).

Komplexe Administration

Der Gesetzesentwurf ist für die bei Start-ups häufigste Rechtsform der GmbH kaum geeignet, da der Aufwand für die Übertragung kleiner GmbH-Gesellschaftsanteile unverhältnismäßig groß ist. Die im Entwurf vorgesehene „virtuelle Beteiligung“ sollte klar als Anteilsoption definiert werden, wie es international üblich ist.

Rechtssicherheit

Die Festlegung des für die Beteiligung zugrundezulegenden Unternehmenswertes erscheint im Gesetzvorhaben nur unzureichend gelöst. Die USA und das Vereinigte Königreich sind Vorbilder für einfache und rechtssichere Bewertungsverfahren, die auch in Deutschland genutzt werden könnten (Bundesverband Deutsche Startups, 2020). Problematisch erscheint ebenfalls die strikte Bindung an die KMU-Definition der EU (unter 250 Beschäftigte, maximal 50 Millionen Euro Umsatz). Überspringt ein Wachstums-Start-up diese Schwelle, wird plötzlich die Steuer fällig, ohne dass der Mitarbeiter den Zeitpunkt vorher genau absehen und dafür planen kann. Später eintretende Mitarbeiter werden dadurch auch gegenüber jenen aus der Gründungsphase benachteiligt. Hier sollte deshalb ein flexibler Übergang mit Bestandsschutz greifen. Europarechtlich ist ein solcher „qualifizierter Bestandsschutz“ erlaubt (EU-VECA-Verordnung, Amtsblatt der Europäischen Union, 2013).

Fazit

Damit sich die positiven Produktivitäts- und Beschäftigteneffekte der Mitarbeiterbeteiligung erzielen lassen, braucht es Erleichterungen im Steuerrecht, weniger Bürokratie und eine rechtssichere Ausgestaltung. Dadurch könnten wichtige Schritte unternommen werden, um Gründungen in Deutschland zu erleichtern, Innovationsanreize zu verbessern und dem Trend des schwindenden Gründergeistes – der Anteil der Bevölkerung, die lieber beruflich selbstständig sein würde, ist seit 2000 rückläufig (KfW, 2020, 2; Röhl, 2019) – entgegenzuwirken. Das neue Gesetz bringt nur teilweise Fortschritte.

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