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Dominik Enste IW-Kurzbericht Nr. 66 5. September 2024 Stiftungsboom in Deutschland – aber mehr Transparenz und Kommunikation gefordert

Jenseits von Markt und Staat gibt es in Deutschland eine vielfältige Zivilgesellschaft mit gemeinnützigen Organisationen, die sich um die Förderung von Kul-tur, sozialem und gesellschaftlichem Engagement sowie Wissenschaft und Forschung kümmern.

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Stiftungsboom in Deutschland – aber mehr Transparenz und Kommunikation gefordert
Dominik Enste IW-Kurzbericht Nr. 66 5. September 2024

Stiftungsboom in Deutschland – aber mehr Transparenz und Kommunikation gefordert

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Jenseits von Markt und Staat gibt es in Deutschland eine vielfältige Zivilgesellschaft mit gemeinnützigen Organisationen, die sich um die Förderung von Kul-tur, sozialem und gesellschaftlichem Engagement sowie Wissenschaft und Forschung kümmern.

Gerade in Zeiten der Transformation gewinnt dieses bürgerschaftliche Engagement an Bedeutung – wie nicht zuletzt der Boom bei Stiftungen zeigt.

Angesichts vielfältiger gesellschaftlicher Streitpunkte rund um Themen wie Migration, Nachhaltigkeit und Transformation, aber auch bei Engpässen bei der Finanzierung gesellschaftlicher und kultureller Aktivitäten, werden Stiftungen immer gefragter. Besonders häufig werden Stiftungen von Selbstständigen gegründet. Aber auch Vereine oder öffentliche Einrichtungen wie Theater und Museen nutzen diesen Weg. Sie bauen Einrichtungen für Kinder in Not, zum Beispiel in Kriegsgebieten, fördern das Demokratieverständnis, sichern das Überleben eines Museums oder möchten die Themen Sterben, Tod und Trauer enttabuisieren.

Definition: Was ist eine Stiftung?

Unter einer Stiftung werden Organisationsformen zusammengefasst, bei denen Vermögen dauerhaft für einen festgelegten Zweck genutzt wird. Meist ist eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts gemeint. Seltener sind nicht rechtsfähige Stiftungen, gemeinnützige Stiftungs-GmbHs oder -AGs, die öffentlich-rechtliche Stiftung sowie der Stiftungsverein. Bei der Stiftung bürgerlichen Rechts muss das Grundstockvermögen der Stiftung dauerhaft erhalten bleiben, sodass zur Zweckerfüllung nur die Erträge aus dem Stiftungsvermögen sowie sonstige Zuwendungen (zum Beispiel Spenden) zur Verfügung stehen. Der Zweck der Stiftung wird durch die Stiftenden bei Stiftungsgründung festgeschrieben und kann kaum geändert werden (Bundesverband Deutscher Stiftungen, 2015, 15).

Stetiges Wachstum seit 25 Jahren

Die Zahl der Stiftungen bürgerlichen Rechts in Deutschland ist seit dem Jahr 2000 von 9.754 stark gewachsen und lag im Jahr 2023 bei rund 25.700 (Abbildung 1). Damit hat sich die Zahl der Stiftungen mehr als verdoppelt (plus 165 Prozent). Pro Jahr wurden im Durchschnitt 667 Stiftungen neu errichtet. Damit hat Deutschland, hinter den USA, gemessen an Zahl und Vermögen schätzungsweise das zweitgrößte Stiftungswesen der Welt (Anheier, 2018). Dabei sind in der Statistik öffentliche Stiftungen oder Vereine und GmbHs, da sie nicht der Stiftungsaufsicht unterliegen, kaum erfasst. Nordrhein-Westfalen belegt mit fast 5.000 Stiftungen den Spitzenplatz, gefolgt von Bayern (4.460) und Baden-Württemberg (3.719). Gemessen an der Zahl der Stiftungen pro 100.000 Einwohner, liegt jedoch Hamburg mit 80 Stiftungen unangefochten an der Spitze.

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Ursachen des Stiftungsboom

Dieser Stiftungsboom ist einerseits eine Reaktion auf die Notwendigkeit des Fundraising vieler gemeinnütziger Organisationen angesichts klammer Staatskassen. Anderseits sorgt die attraktivere steuerliche Behandlung von Stiftungen seit dem Jahr 2000, unter anderem durch ein modernisiertes Stiftungsrecht (2002) sowie die gesetzliche Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements (2007 und 2013), für Wachstum. Nicht zuletzt deshalb sind rund 90 Prozent der aktiven Stiftungen als steuerbegünstigt anerkannt; nur knapp 10 Prozent sind steuerpflichtig. Bei Letzteren handelt es sich in der Regel um Familienstiftungen, deren Zweck der Erhalt einer Familie ist (Bundesverband Deutscher Stiftungen, 2024a).

Zum Teil ist das Wachstum auch auf die zunehmende Erbschaftswelle zurückzuführen: Private Stifter sind dabei zu 95 Prozent über 45 Jahre alt, 80 Prozent sind sogar über 55 Jahre alt. Männer (44 Prozent) gründen am häufigsten, gefolgt von Männern und Frauen gemeinsam (31,7 Prozent) und Frauen (24 Prozent). Die Stiftenden sind fast alle vermögend und verfügen über frei verfügbares Geldvermögen (also ohne Immobilien etc.) von mindestens 200.000 Euro (75 Prozent). 40 Prozent sind Millionäre, von denen wiederum 15 Prozent mehr als 5 Millionen Euro frei verfügbares Geldvermögen besitzen (Bundesverband Deutscher Stiftungen, 2015).

Dabei starten die meisten Stiftungen mit einem geringen Kapital, das von 70 Prozent der Stifter aus eigenen Mitteln jedoch weiter aufgestockt werden soll. Die meisten bauen ihre Stiftung noch zu Lebzeiten auf (90 Prozent), um sicherzustellen, dass ihr Geld noch lange dem von ihnen gewünschten gemeinnützigen Zweck zugutekommt. Damit haben sie die Gewissheit, dass ihr bürgerschaftliches Engagement auch über den eigenen Tod hinaus weitergeht. Dabei sind in der Mehrzahl der Stiftungen die Familie und Kinder aber in die Verwaltung eingebunden (80 Prozent).

Vorteile, die im gesellschaftlichen Engagement in der Rechtsform einer Stiftung gesehen werden, sind die Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit, zum Beispiel im Gegensatz zur Spende, sowie die bessere Kontrolle über die Mittelverwendung in Verbindung mit einer klaren Konzentration der Aktivitäten auf ein Themenfeld.

Stiftungszwecke

Ganz oben auf der Liste der Stiftungszwecke stehen soziale Projekte und Dienste (46,1 Prozent), gefolgt von den Bereichen Bildung und Erziehung (33,1 Prozent) sowie Kunst/Kultur (29,2 Prozent) und Wissenschaft und Forschung (22,1 Prozent). Im Vergleich zum Jahr 2000 ist vor allem der Umweltschutz wichtiger geworden, wie der Anstieg um rund zwei Drittel von 9,3 auf 14,9 Prozent zeigt. Ansonsten haben sich die Schwerpunkte in den letzten 24 Jahren kaum verändert (Abbildung 2).

Die größten Stiftungen

Die größten Stiftungen sind die Robert Bosch Stiftung (5,3 Mrd. Euro, jeweils gemessen am Buchwert des Eigenkapitals), die Volkswagen Stiftung (2,8 Mrd. Euro), Deutsche Bundestiftung Umwelt (2,4 Mrd. Euro), Baden-Württemberg Stiftung (2,2 Mrd. Euro), Joachim Herz Stiftung (2 Mrd. Euro) und die Bertelsmann Stiftung (1,4 Mrd. Euro) (Bundesverband Deut-scher Stiftungen, 2024b).

Die meisten Stiftungen sind jedoch zum Zeitpunkt der Gründung deutlich kleiner: Mehr als die Hälfte starten mit weniger als 250.000 Euro. Weniger als 5 Prozent haben über 2,5 Mio. Euro zur Verfügung bereitgestellt. Da nur die Erträge für den Stiftungszweck verwendet werden dürfen, stehen bei einer durchschnittlichen Rendite von 3 Prozent bei 100.000 Euro Stiftungskapital jährlich nur 3.000 Euro zur Verfügung (Bundesverband Deutscher Stiftungen, 2015).

Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit

Das Wachstum wird nicht von allen positiv gesehen. Neben den Sorgen vor zu viel Einflussnahme, insbesondere durch die vermögenden Stiftungen, wird die mangelnde Transparenz vieler Stiftungen kritisiert (Deutscher Bundestag, 2023). Die geringe Transparenz und wenig ausgeprägte „Good Governance“ Strukturen finden sich jedoch auch bei anderen Organisationen der Zivilgesellschaft, wie bei den Wohlfahrtsverbänden und ihren Einrichtungen (Enste, 2005), die nur wenig transparenter geworden sind.

Für Stiftungen wird ab 2026 beim Bundesamt für Justiz ein zentrales Stiftungsregister mit Publizitätswirkung eingerichtet. Ziel ist es, unter anderem für mehr Transparenz zu sorgen, so wird sich jeder zum Beispiel über Name und Sitz der Stiftung, Mitglieder des Vorstands mit Angaben von Namen, Geburtsdatum und Wohnort sowie den Umfang der Vertretungsmacht informieren können.

Darüber hinaus sind für Stiftungen in Zeiten der Kritik und des Wandels Transparenz, Selbstkritik und Bescheidenheit, dazu echtes Engagement und ein erkennbares Streben nach Relevanz erforderlich (Strachwitz, 2024). Dann können sie ein Anker und glaubwürdiger Mitgestalter in unsicheren Zeiten sein. Dafür ist eine aktive, an die modernen Medien angepasste Kommunikation erforderlich. Je mehr Stiftende in der Öffentlichkeit präsent sind und je mehr die Stiftungsaktivitäten nach außen kommuniziert werden, desto besser ist ihr Image (Bundesverband Deutscher Stiftungen, 2015, 199), zumal es Vorurteile bestärkt, wenn eine Stiftung beispielsweise keine Website hat oder es nicht möglich ist herauszufinden, wer die Mittel für welchen Zweck bereitgestellt hat. 

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