1. Home
  2. Studien
  3. Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von internationalen Lieferketten
Galina Kolev / Thomas Obst IW-Report Nr. 16 23. April 2020 Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von internationalen Lieferketten

Im Jahr 2019 importierten deutsche Unternehmen Vorprodukte im Wert von 606 Milliarden Euro, was gut 55 Prozent der gesamten Warenimporte Deutschlands ausmachte. Zwei Drittel der importierten Vorprodukte kamen aus anderen EU-Mitgliedstaaten, weitere 5,3 Prozent bzw. 5,0 Prozent aus den USA und China.

PDF herunterladen
Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von internationalen Lieferketten
Galina Kolev / Thomas Obst IW-Report Nr. 16 23. April 2020

Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von internationalen Lieferketten

IW-Report

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Im Jahr 2019 importierten deutsche Unternehmen Vorprodukte im Wert von 606 Milliarden Euro, was gut 55 Prozent der gesamten Warenimporte Deutschlands ausmachte. Zwei Drittel der importierten Vorprodukte kamen aus anderen EU-Mitgliedstaaten, weitere 5,3 Prozent bzw. 5,0 Prozent aus den USA und China.

Dabei entfallen jeweils knapp 16 Prozent der importierten Vorprodukte auf Teile und Zubehör von Investitionsgütern bzw. von Transportmitteln, weitere 16 Prozent beziehen sich auf primäre und verarbeitete Kraft- und Schmierstoffe. Auf Wertschöpfungsbasis machten importierte Vorleistungen im Jahr 2015 24,5 Prozent der in der inländischen Endnachfrage und 21,0 Prozent der in den deutschen Exporten enthaltenen Wertschöpfung aus. Der ausländische Anteil an der im Inland nachgefragten oder von deutschen Unternehmen exportierten Wertschöpfung ist besonders hoch im Bergbau (84,6 Prozent) und in der Land- und Forstwirtschaft (45,2 Prozent). Im Verarbeitenden Gewerbe ist er mit 35,1 Prozent ebenfalls weit überdurchschnittlich. Hier stecken hinter der inländischen Endnachfrage und den deutschen Exporten im Wert von 1000 Euro 38 Euro Wertschöpfung aus China, 30 Euro aus den USA und 18 Euro aus dem Vereinigten Königreich. Weitere 148 Euro kommen aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Besonders abhängig von importierten Vorleistungen sind die Textilindustrie (63,4 Prozent ausländische Wertschöpfung) und die Elektronik (45,2 Prozent). In der chemischen und pharmazeutischen Industrie kommen 39,3 Prozent der Wertschöpfung aus dem Ausland, in der Automobilindustrie und dem Maschinenbau sind es 29,0 bzw. 28,2 Prozent.

Die Corona-Krise hat die Fragilität internationaler Lieferketten offenbart. Industrien sind zunehmend asymmetrisch miteinander vernetzt. Wertschöpfungsketten wurden internationalisiert, um Größenvorteile zu erreichen. Outsourcing, Offshoring und schlanke Produktionslinien, verbunden mit geringen Lagerbeständen, haben die deutsche Wirtschaft anfällig für Unterbrechungen in den Lieferketten und Versorgungsengpässe gemacht. Es handelt sich also um einen Trade-off zwischen niedrigeren Preisen der Vorprodukte und dem erhöhten Risiko, abhängig von den weltweiten Lieferketten zu sein. Eine strukturelle Änderung der Wertschöpfungsketten liegt zuerst in der Hand der Unternehmen, die den Trade-off neu bewerten müssen und negative Externalitäten stärker einbeziehen sollten. Eine Maßnahme könnte die Diversifizierung der Lieferketten betreffen, um die Resilienz gegenüber Produktionsausfällen bei Vorprodukten zu erhöhen. Wirtschaftspolitisch wären staatliche Eingriffe ins Marktgeschehen nur in Bereichen zu prüfen, die für die Grundversorgung der Bevölkerung etwa mit Grundnahrungsmitteln oder Medizinprodukten von höchster Relevanz sind. Ein Gebot der Stunde ist es jedoch, die bereits gestörten Lieferketten nicht durch zusätzliche Handelskonflikte weiter zu beeinträchtigen. Eine krisenmotivierte Restrukturierung von internationalen Wertschöpfungsketten birgt die Gefahr, die Errungenschaften der letzten Jahre rückgängig zu machen.

PDF herunterladen
Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von internationalen Lieferketten
Galina Kolev / Thomas Obst IW-Report Nr. 16 23. April 2020

Galina Kolev / Thomas Obst: Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von internationalen Lieferketten

IW-Report

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Mehr zum Thema

Artikel lesen
Jürgen Matthes, Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte, 2023
Jürgen Matthes bei phoenix Interview 21. Juni 2024

Neuausrichtung der China-Strategie: „Wenig Neues in Habecks Plänen”

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck fordert bei seinem Besuch in China unter anderem eine Neuausrichtung der China-Strategie Deutschlands. Was das bedeutet, darüber spricht IW-Außenhandelsexperte Jürgen Matthes im Interview mit phonix der tag.

IW

Artikel lesen
Gero Kunath IW-Kurzbericht Nr. 37 18. Juni 2024

Chinas Immobilienkrise: Regierung sieht Risse im Fundament

In den letzten Jahren entwickelte sich der chinesische Immobiliensektor zunehmend vom Primus zum Sorgenkind. Die Insolvenz von Evergrande, des ehemals größten Immobilienentwicklers des Landes, im Jahr 2021 führte nach einer Dekade rasanten Wachstums zu einer ...

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880