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Paula Risius IW-Kurzbericht Nr. 48 27. Juli 2024 In diesen Berufen wird besonders viel ausgebildet

Ein zentraler Pfeiler der Fachkräftesicherung ist die duale Ausbildung. In einigen Berufen wird, gemessen am Beschäftigtenbestand, besonders intensiv ausgebildet. In der Spitze kommen auf 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte bis zu 20 Ausbildungsanfänger.

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In diesen Berufen wird besonders viel ausgebildet
Paula Risius IW-Kurzbericht Nr. 48 27. Juli 2024

In diesen Berufen wird besonders viel ausgebildet

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Ein zentraler Pfeiler der Fachkräftesicherung ist die duale Ausbildung. In einigen Berufen wird, gemessen am Beschäftigtenbestand, besonders intensiv ausgebildet. In der Spitze kommen auf 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte bis zu 20 Ausbildungsanfänger.

Mehr als eine halbe Million offene Stellen ließen sich im letzten Jahr bundesweit nicht besetzen – 317.000 davon entfielen auf Stellen, für die in der Regel eine Berufsausbildung erforderlich ist. Viele Firmen versuchen mit der Erschließung spezifischer Zielgruppen, wie Frauen, Älteren oder internationalen Fachkräften, mehr Stellen zu besetzen oder nutzen flexible Arbeitszeitmodelle, um Fachkräfte mit weiteren Verpflichtungen zu entlasten. Die größten Potenziale zur Fachkräftesicherung messen Unternehmen jedoch der betrieblichen Ausbildung bei (Pierenkemper et al., 2023).

Um zu messen, in welchen Berufen Betriebe besonders viel ausbilden, wird die Anzahl der Ausbildungsanfänger in Relation zur Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in derselben Berufsgattung betrachtet (vgl. Tabelle). Betrachtet wurden nur Berufsgattungen mit mindestens 10.000 Beschäftigten. Dies trifft auf 139 Berufsgattungen mit zugehörigen Ausbildungsberufen zu. Auch in den Berufen mit besonders hoher Ausbildungsanfängerquote bestehen Besetzungsprobleme, die durch den Anteil unbesetzter Ausbildungsstellen an allen Ausbildungsstellen ausgewiesen werden.

Besonders große Ausbildungsbereitschaft in MINT-Berufen

Im Durchschnitt kamen im Jahr 2023 4,2 Ausbildungsanfänger auf 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. In 58 der 139 betrachteten Berufe nahmen Unternehmen jedoch deutlich mehr Ausbildungsanfänger auf. Unter den zehn Berufen mit den relativ betrachtet meisten Ausbildungsanfängern befinden sich viele MINT-Berufe sowie weitere Berufe, die für Digitalisierung und ökologische Transformation zentral sind und in denen ein hoher Fachkräftebedarf besteht (RWI, 2024; Anger et al., 2023; vgl. Tabelle). Fünf der zehn Berufe wurden erst in den letzten 30 Jahren neu in die Ausbildung eingeführt und zählen somit zu den jüngeren Berufen.

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Die höchste Ausbildungsanfängerquote bestand in der Softwareentwicklung mit den Ausbildungsberufen „Fachinformatiker – Fachrichtung Anwendungsentwicklung“ und „Mathematisch-technischer Softwareentwickler“. Hier kamen knapp 33 Ausbildungsanfänger auf 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.

Auffällig ist zudem, dass in den meisten der Top-10 Berufe zugleich überdurchschnittlich viele Ausbildungsplätze besetzt werden können. Während 2023 im Schnitt 13,8 Prozent der Ausbildungsplätze in allen betrachteten Berufen unbesetzt blieben, waren es etwa in der Informatik 5,9 Prozent und bei Tiermedizinischen

Fachangestellten 8,3 Prozent. Auch an Nachfrage mangelt es somit zumeist nicht. In drei Berufen, in denen die Unternehmen gemessen an der Beschäftigtenzahl besonders viele Ausbildungsanfänger einstellten, ist die Nachwuchsrekrutierung jedoch noch schwerer als schon im Durchschnitt aller Berufe: 16,6 Prozent der Ausbildungsplätze für Kälteanlagenbauer oder Mechatroniker für Kältetechnik, 15,7 Prozent der Ausbildungsplätze für Hotelfachleute und 17,8 Prozent der Zimmerei-Ausbildungsstellen blieben 2023 unbesetzt.

Ausbildungsbereitschaft und Beschäftigungsaufbau hängen eng zusammen

Es gibt unterschiedliche Gründe für eine hohe Ausbildungsbeteiligung. Eine Erklärung könnte sein, dass Unternehmen damit rechnen (müssen), dass fertig ausgebildete Fachkräfte in größerer Zahl den Arbeitgeber wechseln. Für das Handwerk ist bekannt, dass etwa jeder zweite Absolvent ein Jahr nach Ausbildungsabschluss noch im Ausbildungsbetrieb arbeitet (Hell & Wydra-Somaggio, 2023). Auch der demografische Wandel kommt als Treiber infrage: Wenn viele Beschäftigte absehbar in den Ruhestand gehen, könnte dies ursächlich für eine verstärkte Ausbildungsaktivität sein. In den hier genannten Berufen mit besonders hoher Ausbildungsleistung ist der Anteil älterer Beschäftigter, die 55 Jahre oder älter sind, jedoch deutlich geringer als in anderen Berufen. Dies dürfte ebenfalls mit dem bereits beschriebenen erst kurzen Bestehen mancher Berufe zusammenhängen.

Unternehmen könnten auch über Bedarf ausbilden, um mit den Auszubildenden bereits während der Ausbildung den Fachkräftebedarf zu decken und dabei Personalkosten zu sparen (sogenanntes Produktionsmotiv; Lindley, 1975). Dieses Motiv jedoch gilt für die meisten Ausbildungsberufe nicht, da die Ausbildungskosten zunächst nicht durch die Produktivität der Auszubildenden ausgeglichen werden, sondern sich erst durch eine spätere Tätigkeit im Unternehmen amortisieren (Schönfeld et al., 2020). Auch dass über 90 Prozent der Betriebe die Übernahme ihrer Auszubildenden anstreben, weist auf eine Orientierung an einem tatsächlich erwarteten Fachkräftebedarf hin (ebd.)

Ein anderer möglicher Grund ist, dass Arbeitgeber positive Marktentwicklungen erwarten und zusätzlich entstehende Arbeitsplätze mit selbst ausgebildeten Fachkräften besetzen möchten. Die Datenlage spricht für diese Ursache: Mit Ausnahme der Fachkräfte im Hotelservice und den Zimmerern verzeichneten die zehn Berufe mit den meisten Ausbildungsanfängern zwischen 2014 und 2023 einen deutlich überdurchschnittlichen Beschäftigungsanstieg. Besonders stark war dieser beim Tabellenführer: Hier verdoppelte sich die Zahl sozialversicherungspflichtig beschäftigter Softwareentwickler auf knapp 23.000 Personen. Enorme Zuwächse gab es auch bei Veranstaltungstechnikern (+82 %) und Tiermedizinischen Fachangestellten (+72 %). Für einen wirtschaftlichen getriebenen Bedarf spricht auch, dass die Ausbildungsbereitschaft mit Fachkräfteengpässen korreliert, da in neun der zehn Berufe Fachkräftemangel herrscht. Unternehmen reagieren somit auf bestehende und drohende Knappheiten mit verstärkter Ausbildungstätigkeit (vgl. auch Jansen et al., 2023).

In dieselbe Richtung weist der Umstand, dass sechs der zehn Top-Berufe erst in den späten 1990er Jahren entstanden sind. Hierzu zählen Fachinformatiker, Mechatroniker, Automatisierungstechnik-Fachkräfte und Veranstaltungstechniker. Dass die Ausbildungsleistung hier so hoch ist, zeigt, dass diese vergleichsweise jungen Ausbildungsberufe von Unternehmen gut angenommen werden. Lange etablierte Industrieberufe finden sich in der Tabelle hingegen nicht wieder. Dies lässt sich damit erklären, dass die neuen Berufe immer noch im Aufbau sind und somit der Beschäftigtenstamm noch stark wächst.

Die Ausbildungsleistung orientiert sich am Marktbedarf

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die überdurchschnittliche Ausbildung in bestimmten Ausbildungsberufen auf die Deckung des aktuellen und zukünftigen Fachkräftebedarfs abzielt. Unternehmen nutzen die Ausbildung somit vorrangig als Instrument zur Fachkräftesicherung. Die Berufe, die gemessen an der Beschäftigtenzahl besonders viel ausbilden, bieten nach der Ausbildung gute Beschäftigungsperspektiven – sowohl in der historischen Betrachtung als auch angesichts aktueller Fachkräfteengpässe.  

Handlungsbedarf besteht beim Zusammenbringen von Ausbildungsangebot und -nachfrage. Um dies noch besser zu erreichen, sind zusätzliche Anstrengungen in der Berufsorientierung und im Ausbildungsmarketing erforderlich. Dazu gehört auch, insbesondere Abiturienten stärker für Beschäftigungsperspektiven in Ausbildungsberufen aufzuschließen.

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