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Thomas Obst / Henrik Förster IW-Kurzbericht Nr. 62 27. August 2024 Steigende Frachtraten: Angeschlagener Welthandel setzt deutschen Außenhandel unter Druck

Der internationale Schiffsverkehr ist die Achillesferse des globalen Welthandels. Seit den Angriffen der Huthi Rebellen müssen Container Schiffe große Umwege in Kauf nehmen. Mit Folgen für die Frachtraten und Aufwärtsrisiken bei der Inflation in Deutschland.

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Angeschlagener Welthandel setzt deutschen Außenhandel unter Druck
Thomas Obst / Henrik Förster IW-Kurzbericht Nr. 62 27. August 2024

Steigende Frachtraten: Angeschlagener Welthandel setzt deutschen Außenhandel unter Druck

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Der internationale Schiffsverkehr ist die Achillesferse des globalen Welthandels. Seit den Angriffen der Huthi Rebellen müssen Container Schiffe große Umwege in Kauf nehmen. Mit Folgen für die Frachtraten und Aufwärtsrisiken bei der Inflation in Deutschland.

In einer globalisierten Welt mit freiem Handel gelten leistungsfähige Häfen und eine effiziente Schifffahrt als selbstverständlich. Der Handel zwischen den wichtigsten Wirtschaftsregionen der Welt – Ostasien, Europa und Nordamerika – wird zum großen Teil per Schiff abgewickelt. Im interkontinentalen Warenverkehr sind es sogar mehr als 80 Prozent des Handelsvolumens, die über den Seeweg abgewickelt werden (UNCTAD, 2024). Für Deutschland dominiert der Seeverkehr im Handel mit Nicht-EU-Mitgliedsstaaten ebenfalls. Nahezu zwei Drittel der deutschen Export- und Importvolumen wurden im Jahr 2023 über den Seeweg aus oder in Drittländer transportiert (Destatis, 2024). Ohne den internationalen Schiffsverkehr herrscht bei der Güterversorgung Deutschlands Ebbe.

Steigende Frachtraten im Welthandel 

Die kritische Rolle des Seeverkehrs im internationalen Warenhandel wird an wichtigen Meerengen deutlich. Beispielsweise traf die Suezkanal Blockade durch die Havarie des Containerschiffs Ever Given im Jahr 2021 den globalen Warenstrom empfindlich. So stellt die Seepassage die kürzeste Seeverbindung zwischen Europa und Asien dar. Über den Suezkanal wurden im Jahr 2023 entsprechend 12 bis 15 Prozent des Welthandels abgewickelt. Eine ähnlich hohe Bedeutung für den Seeverkehr hat die Straße von Malakka, welche das Südchinesische Meer mit dem Indischen Ozean verbindet. Sie spielt für unseren Handel mit Elektrogeräten, Kleidungsstücken oder Lebensmittel ebenfalls eine große Rolle. Rund 10 Prozent der deutschen Exporte und 20 Prozent der deutschen Importe kommen über diese Meerenge (GTAI, 2024). In diesem Kontext stehen die seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 mehr als schätzungsweise 50 Attacken der jemenitischen Huthi Rebellen auf internationale Container Schiffe im roten Meer. Diese haben dazu geführt, dass sich die internationalen Frachtrouten deutlich verlängert haben. Kapazitätsengpässe und höhere Sicherheitszuschläge haben die internationalen Frachtraten vervielfacht (siehe Abbildung). 

Der hier abgebildete Drewry World Container Index zeigt die gezahlten Containerfrachtraten für die wichtigsten globalen Handelsrouten. Alle Indizes werden in USD pro standardisierten 40-Fuß-Container angegeben. Mit einbezogen in die Berechnung werden bereits verschiedene Zuschläge wie Sicherheitszuschläge, saisonale Zuschläge sowie auch die sogenannten Bunkeranpassaungsfaktoren. Diese werden von den Reedereien erhoben, um die Volatilität des Ölpreises und damit die Schwankungen in den Kosten für den Schiffstreibstoff auszugleichen.

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Die Abbildung verdeutlicht die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Containerschifffahrt. Die vielfältigen angebotsseitigen Einschränkungen durch Lockdowns und Kontaktbeschränkungen führten zu großen Staus von Containerschiffen, zu unterbrochenen Lieferketten und somit zu einem nie dagewesenen Anstieg der Containerfrachtraten. Entsprechend brach der deutsche Außenhandel auf der Exportseite im ersten Halbjahr 2020 um fast 16 Prozent ein. Der Außenhandelsüberschuss schrumpfte im Jahr 2022 auf gerade mal 86 Mrd. Euro. Damit lag dieser so niedrig wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr. 

Besonders stark betroffen waren die in Shanghai beginnenden Routen. Die Nullcovid-Strategie der chinesischen Regierung führte zu immensen Staus im weltweit größten Tiefseehafen von Shanghai. An Ihrem Höhepunkt im Oktober 2021 lag die Frachtrate auf der Route nach Rotterdam bei fast 15.000 USD pro 40-Fuß-Container. Auch für die transatlantische Route zwischen Rotterdam und New York konnte man eine Verdreifachung der Frachtraten beobachten. Einzig die Transportroute Rotterdam – Shanghai war wenig betroffen. Dies hängt mit dem Container Angebotsüberschuss zusammen. Zahlreiche leere Container werden von Rotterdam nach Shanghai verschifft, was umgekehrt nicht der Fall ist. Für eine höhere Auslastung der Container aus Rotterdam müsste China jedoch mehr aus Europa importieren beziehungsweise die EU mehr in die Volksrepublik exportieren. So lag das Handelsbilanzdefizit mit China im Jahr 2022 bei fast 400 Milliarden Euro. Doch selbst auf dieser Route gab es eine Verdreifachung der Frachtraten auf niedrigem Niveau. Erst Ende 2022 erholte sich der Schiffhandel. Die Frachtraten erreichten das Vorkrisenniveau. 

Die Entspannung währte allerdings nur für ein Jahr. Der brodelnde Nahostkonflikt erreichte durch den Terroranschlag der Hamas auf Israel und der anschließenden militärischen Reaktion Israels Ende 2023 einen neuen Höhepunkt. Die Huthi-Rebellen aus dem Jemen greifen in den Konflikt ein, indem sie Schiffe im Roten Meer überfallen. Infolgedessen sank der Containerschiffverkehr im Roten Meer um rund zwei Drittel (IfW Kiel, 2024), da immer mehr Reedereien die gefährliche Route durch den Suez Kanal meiden. Stattdessen nehmen sie die rund 6.000 km längere Route über das Kap der guten Hoffnung.  Dadurch stiegen die Treibstoffkosten; die Transportdauer verlängert sich für Hin- und Rückweg um bis zu 21 Tage. Auch Öltanker und LNG-Schiffe sind betroffen. 

Es kommt somit zu Container- und Schiffsengpässen in den großen Umschlagshäfen der Welt. Der daraus resultierende Nachfrageüberschuss führt zu hohen Frachtraten, welche durch die gestiegenen Treibstoffkosten und Sicherheitszuschlägen verstärkt werden. Im Gegensatz zur Pandemie sind von dieser Entwicklung primär die in Shanghai beginnenden Routen betroffen. Zwar umfahren auch die in Europa startenden Containerschiffe auf Ihrem Weg zurück das Kap der Guten Hoffnung und sind damit ebenfalls höheren Treibstoffkosten ausgesetzt. Aufgrund der erwähnten häufigen Verschiffung von Leercontainern ist der Hafen in Rotterdam aber nicht von vergleichbaren Engpässen ausgesetzt und die Zahlungsbereitschaft der Unternehmen entsprechend geringer. Damit fällt der Effekt auf die Frachtraten sowohl für die Route nach Shanghai als auch für die transatlantische Route nach New York moderat aus. 

Festzuhalten bleibt: Das Höchstniveau der Frachtraten der Corona Pandemie wurde bisher nicht erreicht. Dennoch vervielfachten sich die Frachtraten innerhalb weniger Monate dramatisch auf mehr als 7.500 USD pro 40-Fuß-Container für die in China startenden Routen nach Europa und die USA.

Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft 

Die daraus resultierenden Auswirkungen für den Welthandel und die deutsche Wirtschaft sind vielseitig. Der globale Warenhandel befindet sich seit Ende 2022 in der Seitwärtsbewegung. Im vergangenen Jahr schrumpfte dieser gar um 1,1 Prozent. Auch der deutsche Warenhandel scheint in Mitleidenschaft gezogen. Wie der Welthandel befinden sich die deutschen Exporte seit Ende 2022 in einer Seitwärtsbewegung. Ein Blick auf die letzten Monate zeigt gar einen Abwärtstrend auf. Lagen die deutschen Exporte in Drittstaaten im April noch bei 62,4 Mrd. Euro, so sind sie nun in zwei Monaten jeweils um mehr als 3 Prozent gesunken. Sie lagen im Juni mit 57,9 Mrd. Euro rund 4,5 Mrd. Euro niedriger (Destatis, 2024). 

Die Lieferzeiten verzögern sich für wichtige Vorleistungsprodukte der deutschen Wirtschaft deutlich, wenn derzeit von einer Materialknappheit nicht auszugehen ist. Stark steigende Frachtraten bedeuten aber Aufwärtsrisiken bei der Inflation. Diese ist in der Eurozone und Deutschland im Juli erneut leicht angestiegen. Auch wenn diese mittlerweile vor allem binnenwirtschaftlich getrieben ist, bleibt das Risiko der importierten Inflation bestehen. Im deutschen Einzelhandel werden bereits Auswirkungen wie Produktengpässe und mögliche Preissteigerungen im Warengeschäft diskutiert.

Im Sommer 2024 lässt sich eine leichte Entspannung im globalen Schiffsverkehr erkennen. So ist die Anzahl der stillstehenden Containerschiffe wieder zurück gegangen (IfW, 2024). Dies war jedoch bereits im Februar der Fall, ehe die Frachtraten erneut im April in die Höhe schossen. Des Weiteren beginnt das nachfrageintensive Weihnachtsgeschäft vor der Tür, welches typischerweise die Frachtraten steigen lässt. Das Reedereien den Umweg von 6000 Kilometern um das Kap der guten Hoffnung in Kauf nehmen, zeugt von der außerordentlichen Gefahrenlage im Roten Meer. Die derzeitigen Containerpreise sind zwar nur halb so hoch wie die Spitzenwerte während der COVID-19-Krise. Solange die geopolitischen Unsicherheiten rund ums Rote Meer bestehen bleiben, steht der Seeschiffsverkehr und damit der Welthandel aber weiterhin stark unter Druck. Es wird einige Zeit dauern, bis die höheren Preise bei den Verbrauchern ankommen. Die wirklichen Auswirkungen kommen also erst noch. Keine guten Aussichten für den deutschen Außenhandel.

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