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(© Foto: iStock)
Jürgen Matthes in der Fuldaer Zeitung Gastbeitrag 21. August 2018

Brexit lässt Investitionen im Königreich schwächeln

Trotz der Brexit-Querelen erscheint das Konjunkturbild im Vereinigten Königreich (UK) auf den ersten Blick noch recht gut. Allerdings hat sich das Wirtschaftswachstum seit dem Brexit-Referendum deutlich abgeschwächt. Ein Gastbeitrag von IW-Ökonom Jürgen Matthes in der Fuldaer Zeitung.

Die Arbeitslosenquote liegt bei nur bei gut vier Prozent und damit so niedrig wie seit über 40 Jahren nicht mehr. Der Arbeitsmarkt strotzt also vor Stärke. Auch Beschäftigung und Erwerbsquote stehen nach anhaltenden Zuwächsen ebenfalls auf oder nah an Rekordständen. Ebenso halten sich die konjunkturellen Stimmungsindikatoren recht passabel und rangieren deutlich über dem kurzzeitigen Tief nach dem Brexit-Referendum.

Allerdings hat sich das Wirtschaftswachstum seit dem Brexit- Referendum deutlich abgeschwächt. Betrug der Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den Jahren 2014 und 2015 noch 3,1 Prozent und 2,3 Prozent, wuchs die Wirtschaft in 2016 und 2017 nur noch jeweils mit knapp zwei Prozent. Damit ist das Königreich beim Wachstum inzwischen hinter den Euroraum zurückgefallen. Das ist insofern bemerkenswert, weil die britische Wirtschaft seit 2012 in jedem Jahr schneller gewachsen war als die Eurostaaten im Durchschnitt, und das zumeist sehr deutlich. Gemäß aktuellen Prognosen dürfte der Euroraum auch in diesem und im nächsten Jahr die Nase vorn haben. Dagegen dürfte das reale BIP im UK im Zeitraum von 2016 bis 2020 kumuliert um rund acht Prozentpunkte langsamer wachsen, wenn man die mittelfristigen Wachstumsvorhersage des britischen Office for Budget Responsibility von März 2018 mit der Prognose vom November 2015 – also vor dem Aufkommen der Brexitdebatte – miteinander vergleicht.

Eine wichtige Ursache für das schwächere Wachstum 2017 ist die Pfund-Abwertung im Zug des Brexit-Referendums, die die Inflationsrate auf über drei Prozent steigen ließ. Zentrale Ursache dafür ist, dass die Pfund- Abwertung die Importe verteuert und somit die Inflation angeheizt hat. Der schnellere Preisanstieg mindert die Kaufkraft und hat die vormals hohe Dynamik der privaten Konsumausgaben deutlich verlangsamt. Auch wenn der wechselkursbedingte Inflationsanstieg nur vorübergehend ist, verringert er das Niveau der britischen Reallöhne dauerhaft.

Doch auch die realen privaten Investitionen (ohne Bauinvestitionen) haben im längerfristigen Vergleich deutlich an Schwung verloren. Während sie zwischen 2010 und 2015 noch um fast fünf Prozent im Jahresdurchschnitt stiegen, brachen sie im Jahr 2016 um 0,5 Prozent ein und erhöhten sich im Jahr 2017 nur um 2,4 Prozent. Die OECD prognostiziert für dieses und das nächste Jahr nur einen realen Zuwachs von jeweils um die ein Prozent.

Das Zinsniveau ist zwar weiter niedrig, was eigentlich die Investitionen beflügeln sollte. Aber die politische Unsicherheit über den weiteren Brexitkurs bleibt hoch. Der damit verbundene Mangel an Planbarkeit dürfte eine wichtige Rolle für die Schwäche der privaten Investitionen spielen. Die Spaltung der konservativen Regierungspartei in der Brexitfrage könnte letztlich sogar zu einem No-Deal-Szenario führen. Ein Brexit ohne Austrittsvertrag würde aber zumindest zeitweise in einem wirtschaftlichen und rechtlichen Chaos münden.

Die große Unsicherheit über die weitere Entwicklung nach dem Brexit dürfte auch dazu geführt haben, dass die Auslandsinvestitionen im Vereinigten Königreich eingebrochen sind. Das UK war unter den EU-Staaten traditionell der beliebteste Standort für ausländische Direktinvestoren, auch weil es als Brückenkopf in die EU für außereuropäische Firmen aus englischsprachigen Ländern diente. Meist mit deutlichem Abstand flossen innerhalb der EU die meisten Direktinvestitionen in das UK. Das gilt auf Basis von UNCTAD-Daten für den Zeitraum 2010 bis 2016 ebenso wie für die lange Phase zwischen 2000 und 2016. Im Jahr 2017 sanken die Zuflüsse an ausländischen Direktinvestitionen hingegen auf lediglich rund 15 Milliarden Dollar. Gegenüber dem langjährigen Durchschnitt seit dem Jahr 2000 von über 65 Milliarden Dollar ist dies ein sehr deutlicher Rückgang.

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