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Altersarmut IW-Nachricht 12. April 2016

Kühler Kopf statt Panikmache

Einige warnen momentan davor, dass im Jahr 2030 die Hälfte der gesetzlichen Rentner von Altersarmut bedroht sein wird. Doch der nüchterne Blick auf die Zahlen lässt diese Panikmache in sich zusammenfallen. Gleichwohl ist private Vorsorge notwendig – vor allem, wenn der Lebensstandard im Alter gehalten werden soll.

Weil das gesetzliche Rentenniveau bis 2030 auf etwa 43 Prozent des Bruttolohns sinkt, sollen dann rund die Hälfte der gesetzlichen Rentner von Altersarmut bedroht sein: So ließ sich der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer am Wochenende zitieren. In das gleiche Horn stößt jetzt der Westdeutsche Rundfunk mit einer eigenen Berechnung.

Derartige Zahlen schüren Ängste, wo ein kühler Kopf nötig wäre. Denn wie wenig aussagekräftig die Berechnungen des WDR sind, zeigt eine einfache Gegenrechnung: Um die Grundsicherung im Alter für einen alleinlebenden Senior zu übertreffen, ist eine gesetzliche Rente von rund 840 Euro pro Monat nötig – so die Ausgangssituation der WDR-Berechnung. Aber bereits heute liegen knapp 30 Prozent der Renten (Stand 2014) unterhalb von 750 Euro pro Monat und rund 40 Prozent, wenn man die Hinterbliebenenversorgung mitrechnet. Dennoch sind nur 3 Prozent der Rentner-Haushalte, bei denen der Haupteinkommensbezieher über 64 Jahre alt ist, auf die Grundsicherung im Alter angewiesen.

Wie passt das zusammen?

  • Rente ist nicht gleich Rentner: Mancher Senior bezieht mehrere gesetzliche Renten, zum Beispiel eine Hinterbliebenenversorgung und eine eigene Altersrente. So flossen Ende 2014 gut 25 Millionen Renten an etwa 20,6 Millionen Rentner.
  • Senioren beziehen nicht nur von der Deutschen Rentenversicherung Ruhegeld, sondern in vielen Fällen zusätzlich eine betriebliche Altersversorgung, weil sie selber oder der Ehepartner während des Erwerbslebens ergänzend vorgesorgt haben.
  • Nicht wenige Paare haben nicht nur ihr Erwerbsleben arbeitsteilig organisiert, sondern auch ihre Alterssicherung: Wer sich in jungen Jahren auf die Familie oder später auf die Pflege der Eltern konzentriert, hat vielleicht nur in Teilzeit gearbeitet oder ganz ausgesetzt. Die Versorgung ruht deshalb auch im Alter auf den Schultern des Haupteinkommensbeziehers, dessen Partner dadurch aber keinesfalls in Armut leben muss.
  • Viele Senioren haben über die Jahre hinweg ein Vermögen angesammelt, das der Alterssicherung dient. Folgerichtig muss das erst aufgezehrt werden, ehe die steuerfinanzierte Grundsicherung eintritt.

Wer sich also ernsthaft um die Alterssicherung sorgt, sollte alle Fakten berücksichtigen. Das tun die Bürger in ganz überwiegendem Maße – im Gegensatz zu manchem Politiker. Bei der Vorsorge gilt es, unterschiedliche Sicherungsmotive zu beachten, die Anlagerisiken zu streuen und die unterschiedlichen Bedürfnisse in den Lebensphasen zu berücksichtigen. Eine einzelne Vorsorgeform, ob gesetzlich oder privat, erlaubt jedenfalls keinen Rückschluss auf die Armutsgefährdung im Alter.

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