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Finanzminister Christian Lindner (FDP) hält weiterhin an der Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form fest. (© Foto: NurPhoto / GettyImages)
Martin Beznoska / Tobias Hentze / Michael Hüther / Björn Kauder Pressemitteilung 12. Juni 2024

Investitionen: Reform der Schuldenbremse könnte Deutschland 30 Milliarden Euro mehr Spielraum bringen

Die Schuldenbremse schränkt die politische Handlungsfähigkeit ein. Die Idee dahinter ist, künftige Generationen nicht übermäßig zu belasten. Gleichzeitig bestehen jedoch ein immenser Investitionsbedarf und eine hohe Steuerbelastung. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt anhand von drei Reformvarianten, wie finanzielle Spielräume geschaffen werden können, ohne dabei die Staatskasse zu überlasten.

Seit 15 Jahren ist die Schuldenbremse im deutschen Grundgesetz verankert. In der aktuellen Diskussion stehen sich zwei Lager gegenüber: Befürworter preisen sie, weil sie den Staat zu Disziplin und zu stabilen Finanzen zwingt und zudem künftige Generationen nicht überlastet werden. Kritiker hingegen bezeichnen sie als zukunftsfeindlich, da sie dringend benötigte öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und die Digitalisierung verhindert – und den Staat zwingt, Steuern in Rekordhöhe zu berechnen. Dabei müssen sich die beiden Argumente gar nicht widersprechen: Es wäre durchaus möglich, gesunde Staatsfinanzen und eine flexiblere Schuldenbremse zu kombinieren. Das IW hat drei Modelle für eine Reform skizziert:

  • Die Nettoinvestitionsregel erlaubt neue Kredite für den Zuwachs des Kapitalstocks, etwa um neue Straßen oder Wasserstoffpipelines zu bauen. Davon würden kommende Generationen profitieren. Für die Instandhaltung dieses Kapitalstocks sind aber die heutigen Generationen verantwortlich. Kurzum: Kredite gibt es ausschließlich für Investitionen. Problematisch ist nur, dass im Zweifel die Politik entscheiden muss, was als Investition durchgeht und was nicht.
  • Die atmende Schuldenregel ermöglicht es, flexibler auf Konjunkturschwankungen zu reagieren und berücksichtigt auch die Zinsausgaben für laufende Kredite. Das heißt: In wirtschaftlich schlechten Zeiten darf der Staat mehr Schulden aufnehmen, in guten hingegen weniger. Dadurch kann der Staat in Krisenzeiten mehr Geld ausgeben, um die Wirtschaft zu stützen – und in guten Zeiten sparen, um Schulden abzubauen. Wenn die Zinssätze zudem sinken, steigt der Verschuldungsspielraum, da der laufende Haushalt durch Kredite weniger stark belastet wird.    
  • Die Ausgabenregel erlaubt steigende Ausgaben analog zum Wachstum des BIP, sodass das Verhältnis von Ausgaben zum BIP zumindest konstant bleibt. Um Wirtschaft und Bürger zu unterstützen, kann der Staat Steuern senken. Die Mindereinnahmen werden auf einem sogenannten Ausgleichskonto verbucht. In den folgenden Jahren muss der Staat diese Mindereinnahmen ausgleichen, indem er entweder die Ausgaben senkt oder die Steuern wieder erhöht. So bleibt der Staat verpflichtet, seine Finanzen langfristig im Gleichgewicht zu halten. In Notlagen könnte die Regel wie bisher ausgesetzt werden. 

Schuldenbremse muss reformiert werden

Aus dem je nach Variante zu erwartenden Verschuldungsspielraum abzüglich der derzeit möglichen Verschuldung im Rahmen der Schuldenbremse ergibt sich aus heutiger Sicht ein zusätzlicher Verschuldungsspielraum von 30 bis 35 Milliarden Euro pro Jahr. Die drei Reformvorschläge könnten im Grundsatz kombiniert werden, auch mit einem speziellen Sondervermögen. Das Ausmaß des zusätzlichen Verschuldungsspielraums müsste dann austariert werden. Bis zu einer Nettokreditaufnahme von 1,5 Prozent des BIPs pro Jahr bleibt die Schuldenstandquote stabil. Unstrittig ist, dass Regeln für die Staatsverschuldung wichtig sind. „In jedem Fall sollte die Politik aber die Ausgestaltung der Schuldenbremse überdenken“, fordert IW-Experte Tobias Hentze.

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Konzepte für tragfähige Fiskalregeln
Martin Beznoska / Tobias Hentze / Michael Hüther / Björn Kauder IW-Policy Paper Nr. 4 12. Juni 2024

Schuldenbremse 2.0: Konzepte für tragfähige Fiskalregeln

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

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