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Fabian Semsarha / Sarah Pierenkemper / Lydia Malin IW-Kurzbericht Nr. 51 2. August 2024 Ostdeutsche Flächenländer sind besonders auf internationale Arbeitskräfte angewiesen

Ausländische Arbeitskräfte spielen eine entscheidende Rolle für die Fachkräftesicherung in Deutschland. Zuletzt machten sie deutschlandweit 86 Prozent des Beschäftigungswachstums aus.

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Ostdeutsche Flächenländer sind besonders auf internationale Arbeitskräfte angewiesen
Fabian Semsarha / Sarah Pierenkemper / Lydia Malin IW-Kurzbericht Nr. 51 2. August 2024

Ostdeutsche Flächenländer sind besonders auf internationale Arbeitskräfte angewiesen

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Ausländische Arbeitskräfte spielen eine entscheidende Rolle für die Fachkräftesicherung in Deutschland. Zuletzt machten sie deutschlandweit 86 Prozent des Beschäftigungswachstums aus.

Besonders in Ostdeutschland sind sie unverzichtbar, da dort bereits heute ein Beschäftigungsrückgang bei deutschen Staatsbürgern stattfindet und zudem der demografische Ersatzbedarf höher ausfällt.

Fachkräftemangel und demografischer Wandel

Im Jahr 2023 gab es bundesweit 570.000 offene Stellen für qualifizierte Fachkräfte, für die keine entsprechend qualifizierten Arbeitslosen zur Verfügung standen (KOFA 2024). Hinzu kamen 237.919 offene Stellen auf Helferniveau (KOFA 2024). Gleichzeitig scheiden demografiebedingt immer mehr Beschäftigte aus dem Arbeitsmarkt aus. Bis zum Jahr 2035 werden dem Arbeitsmarkt voraussichtlich 7,2 Millionen Erwerbspersonen weniger zur Verfügung stehen als im Jahr 2020 (IAB 2021). Der Fachkräftemangel dürfte sich daher in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Denn die nachrückenden Generationen können die entstehende Lücke, die durch das Ausscheiden der Baby-Boomer-Generation aus dem Arbeitsmarkt entsteht, nicht schließen. Der Arbeitskräftemigration kommt damit neben der Erschließung aller vorhandenen Fachkräftepotenziale im Inland eine zentrale Rolle für die Fachkräftesicherung zu.

Beschäftigungszuwachs durch ausländische Beschäftigte getragen

In den letzten Jahren hat die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland trotz Fachkräftemangel und demografischem Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials zugenommen. Besonders ausländische Arbeitskräfte spielen beim Beschäftigungswachstum eine entschiedene Rolle. Zwischen den gleitenden Jahresdurchschnitten 07/2021 bis 06/2022 und 07/2022 bis 06/2023 entfielen 86 Prozent des Beschäftigungswachstums auf sie, während deutsche Staatsbürger nur 14 Prozent dazu beitrugen. Insbesondere Arbeitskräfte aus Drittstaaten sorgten mit einem Zuwachs von 265.721 Personen (62 Prozent) für den größten Teil des Wachstums. Zeitgleich ist die Zahl der deutschen Arbeitslosen leicht zurückgegangen (BA 2024).

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Regionale Unterschiede

In allen Bundesländern gab es im Betrachtungszeitraum einen Zuwachs bei ausländischen Beschäftigten, sowohl aus dem europäischen Ausland als auch aus Drittstaaten. Dieser Anstieg fiel in allen Bundesländern meist deutlich größer aus als bei den Deutschen. Dadurch trugen ausländische Beschäftigte stärker zum Beschäftigungsaufbau bei als deutsche Staatsbürger. In den ostdeutschen Bundesländern (ohne Berlin) und im Saarland war sogar ein Rückgang an deutschen Beschäftigten zu beobachten, da bereits mehr deutsche Staatsangehörige aus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausschieden, als eintraten. Besonders Sachsen (+0,5 Prozent) und Brandenburg (+1 Prozent), aber auch Thüringen profitierten von ausländischen Beschäftigten. Hier konnte trotz des Rückgangs unter den deutschen Staatsbürgern insgesamt ein geringes Beschäftigungswachstum verzeichnet werden. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt konnten internationale Fachkräfte den Beschäftigungsrückgang bei deutschen durch ausländische Staatsangehörige zumindest annähernd kompensieren.

Das gesamte Beschäftigungswachstum in Ostdeutschland (ohne Berlin) wurde somit von Ausländern getragen. Analog zur Bundesebene entfällt der Großteil (57 Prozent) dieses Beschäftigungsaufbaus auf Personen aus Drittstaaten. Dies unterstreicht, dass insbesondere die ostdeutschen Flächenländer stärker auf die Zuwanderung von Arbeitskräften, auch aus Drittstaaten, angewiesen sind, als die westdeutschen Bundesländer und Berlin.

Fazit

Ausländische Beschäftigte spielen neben der Hebung inländischer Potenziale eine entscheidende Rolle für den Beschäftigungszuwachs und die Fachkräftesicherung. Insbesondere Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind aufgrund ihrer Altersstruktur dringlicher auf die Zuwanderung von Arbeitskräften angewiesen als andere Bundesländer (KOFA Kompakt 6/24).

Dazu ist es notwendig, internationale Fachkräfte gezielt anzusprechen, zu gewinnen und zu halten. Hierfür braucht es politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen, zu denen auch die Etablierung einer Willkommenskultur gehört. Gleichzeitig müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Zuwanderung von Fachkräften weiter verbessert werden. Die Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Entscheidend ist, dass diese rechtlichen Rahmenbedingungen auch durch funktionierende Verwaltungsstrukturen effektiv umgesetzt werden.

Vor allem im Integrationsbereich haben die Bundesländer große Spielräume bei der Ausgestaltung von Förderprogrammen und anderen Maßnahmen, die die Integration von ausländischen Beschäftigten unterstützen können. Die erwarteten Zuwächse der AfD bei den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg erscheinen vor dem Umstand, dass diese Bundesländer besonders dringlich auf internationale Arbeitskräfte angewiesen sind, als großes wirtschaftliches Risiko (Handelsblatt 2024). Eine Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeichnet ein ähnliches Bild: 73 Prozent der befragten Unternehmen sehen die AfD als Risiko für die Fachkräftesicherung (Bergmann/Diermeier 2024).

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