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Klaus-Heiner Röhl / Christian Rusche IW-Kurzbericht Nr. 45 18. Juli 2024 Wo steht die EU im globalen Chip-Wettrennen?

Mikrochips sind das Hardware-Rückgrat der Digitalisierung. In einer protektionistischer werdenden Welt ist eine eigene Produktion zudem ein Sicherheitsfaktor (Europäische Kommission, 2024).

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Wo steht die EU im globalen Chip-Wettrennen?
Klaus-Heiner Röhl / Christian Rusche IW-Kurzbericht Nr. 45 18. Juli 2024

Wo steht die EU im globalen Chip-Wettrennen?

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Mikrochips sind das Hardware-Rückgrat der Digitalisierung. In einer protektionistischer werdenden Welt ist eine eigene Produktion zudem ein Sicherheitsfaktor (Europäische Kommission, 2024).

Die Europäische Union (EU), vor allem aber die USA und China liefern sich einen Wettlauf um die Herrschaft in diesem Zukunftsbereich. Dazu werden immer größere Fördersummen aufgelegt; der Subventionswettlauf ist also in vollem Gange. Doch reicht die Förderkulisse in der EU aus und ist mehr Geld überhaupt sinnvoll?

Am 27.05.2024 erfolgte der vorerst letzte Zug im Subventionswettlauf. An diesem Tag kündigte die Volksrepublik China einen neuen Fonds zur Unterstützung der heimischen Chip-Industrie an (Reuters, 2024). Dieser hat ein Volumen von 344 Milliarden Yuan (ca. 44,7 Milliarden Euro) und ist der dritte seiner Art, da seit 2014 bereits zwei Fonds mit einem Gesamtvolumen von rund 340 Milliarden Yuan eingerichtet wurden (ebenda). Es wird geschätzt, dass diese beiden Fonds zu Gesamtinvestitionen von rund 500 Milliarden Yuan (ca. 65 Milliarden Euro) geführt haben (Meng/Wu, 2024, 19).

Auch in den USA wird kräftig investiert: Im Chips Act von 2022 verankerten die Vereinigten Staaten staatliche Investitionsbeihilfen von 52,7 Milliarden US-Dollar (USD; ca. 48,5 Milliarden Euro; Congressional Research Service, 2023). Hinzu kommen mehr als 200 Milliarden USD (ca. 184 Milliarden Euro) an privaten Investitionen, die zwischen 2020 und 2022 angekündigt wurden (ebenda, 22) sowie 200 Milliarden USD staatliche Forschungs- und Entwicklungsausgaben und 24 Milliarden USD Steuergutschriften aus dem gesamten Chips and Science Act (McKinsey, 2022), von dem der Chips Act nur ein Segment bildet.

Dem gegenüber steht der EU-Chips Act, der am 21.09.2023 in Kraft trat und zu Gesamtinvestitionen von mehr als 43 Milliarden Euro führen soll (Europäische Kommission, 2024). Hinzu kommen Fördermittel der Mitgliedsstaaten. So wurden für Deutschland bisher Investitionen von 50 Milliarden Euro angekündigt (GTAI, 2023), wobei allein das Intel-Werk in Magdeburg bei 30 Milliarden Euro Investitionssumme 10 Milliarden Euro Förderung erhalten soll (MDR, 2023).

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Der Chipmarkt

Die weltweite Nachfrage nach Chips ist hoch (WSTS, 2023). Für 2024 wird geschätzt, dass das Marktvolumen bei rund 588 Milliarden USD (rund 541 Milliarden Euro) liegen wird. Auf Nord- und Südamerika entfallen etwa 162 Milliarden USD (27,5 Prozent), auf Europa etwa 59 Milliarden USD (10 Prozent), auf Japan rund 49 Milliarden USD (8 Prozent) und auf den Asien-Pazifik-Raum (insbesondere China, Südkorea und Taiwan) 317 Milliarden USD (54 Prozent). Im Jahr 2022 war das Marktvolumen mit rund 574 Milliarden USD noch niedriger. Davon entfielen auf Nord- und Südamerika rund 25 Prozent, auf Europa rund 9,5 Prozent, Japan mehr als 8 und auf die Region Asien-Pazifik rund 58 Prozent. Im Vergleich zu 2022 wird somit für 2024 ein leichtes Wachstum der Bedeutung von Nord- und Südamerika erwartet, während der Markt in der Region Asien-Pazifik leicht an Bedeutung verliert. Europa blieb anteilig nahezu identisch. Klar wird anhand dieser Daten, dass das wesentliche Geschäft im Zukunftsmarkt für Chips in Amerika und Asien stattfindet. Vor diesem Hintergrund strebt die EU bis 2030 laut Chips Act an, den europäischen Anteil an der Chip-Produktion auf 20 Prozent zu verdoppeln (Europäische Kommission, 2024).

EU-Handel mit Chips

Handelsdaten zeigen zudem, dass die EU zunehmend auf Chip-Importe angewiesen ist (Abbildung). Zur Analyse des Handels mit Chips werden analog zu Röhl/Rusche (2022) die Produktkategorien mit den HS-Codes 8541 (Dioden, Transistoren, Halbleiter und ähnliche Waren) sowie 8542 (Mikrochips, Prozessoren und elektrische Schaltkreise) herangezogen. Neben monatlichen Handelsdaten lassen sich auch die Differenzen aus Exporten und Importen ermitteln. Nach Ausreißern im Dotcom-Boom zur Jahrtausendwende und im Aufschwung nach der Finanzkrise wird deutlich, dass der vorläufige Höhepunkt der europäischen Abhängigkeit von Chip-Importen im August 2022 nach den pandemiebedingten Lieferengpässen erreicht wurde, als die Importe mehr als 8,5 Milliarden Euro betrugen. Auch wenn sie zuletzt etwas gesunken sind, sind die Importe mit rund 4,7 Milliarden Euro im März 2024 noch außergewöhnlich hoch. Auch Exporte haben seit 2013 für die EU an Bedeutung gewonnen: Mit rund 3,85 Milliarden Euro wurde im September 2022 ein Höhepunkt erreicht. Im März 2024 betrugen die Exporte rund 2,8 Milliarden Euro, was ebenfalls vergleichsweise hoch ist.

An diesen Werten wird auch deutlich, dass das Handelsbilanzdefizit der EU im Bereich Chips zugenommen hat. Mit einem Defizit von 4,9 Milliarden Euro im August 2022 wurde der höchste Wert verzeichnet. Im März 2024 waren es immer noch -1,8 Milliarden Euro. Insgesamt wachsen die Handelsbilanzdefizite bei Chips seit circa 2016. Dabei sind Preisveränderungen zu beachten: Zunächst sind Chips einer technischen Deflation unterworfen, da sie zunehmend leistungsfähiger und damit billiger werden. Jedoch haben die Lieferengpässe während der Pandemie zu Knappheitspreisen geführt und die Werte erhöht. Der Rückgang dieser Knappheiten dürfte die Normalisierung der Werte nach 2022 erklären. Für Deutschland sind die Handelsbilanzdefizite bei Chips zwar vorhanden, im Vergleich aber wenig auffällig. Lediglich in den letzten Jahren fand eine leichte Ausweitung der Defizite statt.

Fazit und Empfehlungen

Abschließend kann festgehalten werden, dass es einen intensiven Subventionswettlauf bei Chips gibt, in dem die EU mithalten möchte. Aktuell ist die Bedeutung Europas als Chip-Produktionsstandort gering und die EU ist zunehmend auf Importe angewiesen. Eine Teilnahme am Subventionswettlauf zur Anlockung von Unternehmen birgt jedoch Gefahren, da knappe Finanzmittel zur Subventionierung von durchaus profitablen Unternehmen verwendet werden. Die EU muss daher den Zwischenweg zwischen der Versorgung der eigenen, wichtigen Wirtschaftsbereiche und der Nutzung der Möglichkeiten von günstigen Chips, die von anderen Staaten subventioniert werden, finden. Durch die mit hohen Subventionen angelockten Produktionsstätten entstehen zwar hochmoderne Werke, doch handelt es sich dabei um verlängerte Werkbänke ausländischer Konzerne; die lokale Wertschöpfung bleibt damit voraussichtlich begrenzt. Gleichzeitig entsteht ein Erpressungspotenzial zur Erlangung weiterer Subventionen in der Zukunft.

Anstatt blind Milliardenfonds aufzulegen ist somit Augenmaß und eine Evaluation bestehender Maßnahmen gefragt. Daher könnte sich die EU den Zugang zu (subventionierten) Chips über eine Diversifizierung der Lieferanten und langfristige Verträge effizienter sichern. Die gesparten Milliarden könnten zur Ausnutzung der technischen Möglichkeiten und damit der Stärkung eigener Wertschöpfung genutzt werden: Mehr Fördermittel für digitale Start-ups und die Förderung von KI-Forschung sowie KI-Unternehmen. Wichtig erscheint auch ein besserer Transfer von Forschungsergebnissen aus Universitäten und Instituten insbesondere zur Kommerzialisierung, welcher in der EU und Deutschland ausbaufähig ist (Sattelberger, 2023).

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