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Matthias Diermeier / Manès Weisskircher* IW-Kurzbericht Nr. 57 15. August 2024 Breite Zustimmung zum Ausbau der Erneuerbaren – Widerstände im ländlichen Ostdeutschland

Eine große Mehrheit der Deutschen erkennt den Klimawandel als menschengemacht an und befürwortet den Ausbau der erneuerbaren Energien.

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Breite Zustimmung zum Ausbau der Erneuerbaren – Widerstände im ländlichen Ostdeutschland
Matthias Diermeier / Manès Weisskircher* IW-Kurzbericht Nr. 57 15. August 2024

Breite Zustimmung zum Ausbau der Erneuerbaren – Widerstände im ländlichen Ostdeutschland

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Eine große Mehrheit der Deutschen erkennt den Klimawandel als menschengemacht an und befürwortet den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Skepsis herrscht jedoch in Ostdeutschland, wo sich der Erfolg der Energiewende mitentscheidet: Hier wird schon heute ein Viertel der Solar- und ein Drittel der Windenergie erzeugt. Doch auch im Osten gibt es Unterschiede: im Gegensatz zum Windkraftausbau wird die Solarenergie im ländlichen Ostdeutschland befürwortet. SympathisantInnen des BSW sind deutlich weniger negativ eingestellt als AfD-AnhängerInnen.

Nur ein Bruchteil der Deutschen erkennt den Klimawandel nicht als menschengemacht an. Daran haben auch die kritischen Einlassungen der AfD während der letzten zehn Jahre nichts geändert. Diese hielt zuletzt in ihrem Europawahlprogramm fest: „Die Behauptung einer Bedrohung durch den menschengemachten Klimawandel basiert nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen“ (AfD 2024, 40).

Um die klimapolitischen Einstellungen in Deutschland empirisch zu erfassen, wurden entsprechende Items gemeinsam von IW und REXKLIMA (TU Dresden) für die IW-Personenbefragung 2024 erarbeitet (siehe Kasten Datengrundlage). Im Westen verneinen 11 Prozent den Einfluss menschlicher Aktivität auf die Erderwärmung. Im Osten ist die Gruppe mit 13,7 Prozent zwar etwas größer, bildet aber trotzdem nur eine kleine gesellschaftliche Minderheit - der Bevölkerungsanteil, der der AfD zuneigt, liegt rund doppelt so hoch.

Entsprechend erfährt der Ausbau der erneuerbaren Energien grundsätzlich eine breite gesamtgesellschaftliche Unterstützung: Dies gilt sowohl für die Windkraft als auch für die Solarenergie. Den Ausbau der Windkraft befürworten 68,9 Prozent der westdeutschen und 54,4 Prozent der ostdeutschen Bevölkerung - wobei im Osten rund ein Fünftel (20,7 Prozent) unentschlossen ist und nur 24,9 Prozent einen Ausbau der Windkraft negativ betrachten. Die Zustimmung zur Solarenergie ist noch deutlicher: Im Westen begrüßen 84,7 Prozent diese Form der erneuerbaren Energieerzeugung, im Osten sind es 77,9 Prozent.

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Die Zustimmung zum Ausbau der erneuerbaren Energien ist allerdings von den Rahmenbedingungen abhängig. Wie immer liegt der Teufel im Detail. Beispielsweise sinkt die Gruppe der BefürworterInnen bundesweit um über 40 Prozentpunkte, wenn danach gefragt wird, Windkraftanlagen in Waldgebieten zu errichten. Auch manche Umweltverbände sehen einen solchen Ausbau kritisch. Hinsichtlich Solaranlagen fällt die Zustimmung um 40 Prozentpunkte niedriger aus, sobald es um die verpflichtende Errichtung „etwa nach jeder Dachsanierung sowie auf Neubauten“ geht.

Und auch das räumliche Wohnumfeld spielt eine Rolle. Relevant ist die Akzeptanz der erneuerbaren Energieinfrastrukturen im ländlich geprägten Ostdeutschland: Der Blick ins Marktstammdatenregister zeigt: Zum 1. Juli 2024 beträgt der Anteil der Erzeugung von Solarenergie in den fünf ostdeutschen Flächenländern 22,1 Prozent. Die knapp 10.500 Windkraftanlagen, die Mitte 2024 im Osten in Betrieb waren, machten mehr als ein Drittel (35,5 Prozent) aller insgesamt knapp 30.000 gesamtdeutschen Onshore-Windkraftanlagen aus. Zwar weisen manche Befragungsergebnisse auf eine höhere Akzeptanz für Windkraftanlagen im unmittelbaren Wohnumfeld hin, zumindest nachdem diese bereits errichtet wurden (Fachagentur Wind, 2024; Norddeutsche EnergieWende 4.0, 2020). Dennoch gibt es hier Konfliktpotenziale in betroffenen Regionen, insbesondere bei der Windkraft in Ostdeutschland (Otteni/Weisskircher, 2022). Solche Infrastrukturprojekte können als “Triggerpunkte” (Mau et al., 2023) Unmut hervorrufen.

Entsprechend lassen sich für den ländlichen Raum Ostdeutschlands signifikante Besonderheiten feststellen. Die Ablehnung von Windkraft ist dort besonders stark ausgeprägt. Beinahe ein Drittel der Befragten (31 Prozent) stellt sich gegen den Windkraftausbau, während dies für nur 17,7 Prozent der ländlichen Bevölkerung Westdeutschlands gilt. Ebenso stimmen im ländlichen Raum Ostdeutschlands bloß 41,6 Prozent dem Ausbau von Windenergie zu, über 20 Prozentpunkte weniger als im ländlichen Raum Westdeutschlands (63,8 Prozent).

Zwischen der stark politisierten Windkraft und der noch kaum politisierten Solarenergie gibt es große Unterschiede. Solarenergie ist immerhin die am schnellsten wachsende erneuerbare Energieform in der Bundesrepublik (in Ostdeutschland allein im ersten Halbjahr 2024: +16 Prozent). Im ländlichen Raum Ostdeutschlands sprechen sich 71,8 Prozent für den Ausbau der Solarenergie aus (ländlicher Raum Westdeutschlands: 82,5 Prozent), während sich nur 8,9 Prozent negativ äußern (ländlicher Raum Westdeutschlands: 4,5 Prozent). Dieser Befund ist auch deshalb interessant, da in den ländlichen Regionen Ostdeutschlands die größten Solarparks errichtet wurden. Die mit Abstand größte Anlage entstand jüngst bei Leipzig auf einer Fläche eines ehemaligen Braunkohletagebaus. Ob auch der dynamische Ausbau der Solarenergie in Zukunft stärker politisiert wird und, ähnlich wie die Windkraft, lokale Oppositionen hervorruft, bleibt abzuwarten.

Der Politisierung entsprechend zeigen sich insbesondere beim Ausbau der Windkraft zwischen den Parteianhängerschaften große Unterschiede: AnhängerInnen der Grünen befürworten diesen zu 95 Prozent erwartbar am stärksten – gefolgt von der SPD-Anhängerschaft. Interessanterweise folgen auf Platz drei in Ostdeutschland (Zustimmung: 84 Prozent) wie Westdeutschland (Zustimmung: 78,5 Prozent) SympathisantInnen der Linken – mit großem Abstand vor Unions- und FDP-AnhängerInnen. Im Osten fällt die Gruppe der Linken-BefürworterInnen von Windkraftanlagen damit fast doppelt so groß aus, wie bei dem erst jüngst abgespaltenen BSW. Dessen Elektorat zeigt sich gerade in Ostdeutschland als ambivalent: 46 Prozent der ostdeutschen BSW-AnhängerInnen stimmen dem Ausbau von Windkraft zu; 29,3 Prozent sind ablehnend. Bei der AfD ist das Verhältnis umgekehrt: gerade einmal 27,2 Prozent der ostdeutschen SympathisantInnen befürworten Windkraft, jede zweite Person ist negativ eingestellt. Bei der Solarenergie sind sowohl die ostdeutschen AnhängerInnen des BSW (80,2 Prozent) als auch der AfD (57,78 Prozent) überwiegend positiv eingestellt. Dabei diskutiert die AfD die Solarenergie bereits seit einem Jahrzehnt – schon während der ostdeutschen Landtagswahlen 2014 – negativ. Das BSW steht dem (privaten) Ausbau der Solarenergie in seiner Programmatik bislang positiv gegenüber (BSW, 2024).

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