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Hubertus Bardt IW-Kurzbericht Nr. 52 5. August 2024 2-Prozent-Nato-Ziel kann erreicht werden – Planung mit erheblichen Risiken

Die Bundesregierung will zukünftig dauerhaft 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben und damit die NATO-Verpflichtungen erfüllen. Die aktuelle Haushaltsplanung soll dies sicherstellen.

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2-Prozent-Nato-Ziel kann erreicht werden – Planung mit erheblichen Risiken
Hubertus Bardt IW-Kurzbericht Nr. 52 5. August 2024

2-Prozent-Nato-Ziel kann erreicht werden – Planung mit erheblichen Risiken

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Bundesregierung will zukünftig dauerhaft 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben und damit die NATO-Verpflichtungen erfüllen. Die aktuelle Haushaltsplanung soll dies sicherstellen.

Ob dies gelingt, ist jedoch weiterhin ungewiss. Die Planung weist noch erhebliche Lücken und Risiken in Milliardenhöhe auf. Eine Zielverfehlung könnte bei einer Trump/Vance-Regierung in den USA schwere Konsequenzen haben.

Seit Jahren hat sich Deutschland zum von den Nato-Partnern vereinbarten Ziel bekannt, zumindest 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung aufzuwenden. Nach der russischen Annexion der Krim hatten die Nato-Staaten beim Gipfel in Wales 2014 festgehalten (Nato, 2014), sich diesem Ziel innerhalb einer Dekade anzunähern. Seit dem Gipfel in Vilnius 2023 – rund eine Dekade später – ist der Wert als verpflichtende Untergrenze definiert (Nato, 2023). Dies ist eine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und damit die verschlechterte Sicherheitslage in Europa.

Mit der Regierungserklärung zur Zeitenwende hatte die Bundesregierung im Februar 2022 zudem unilateral das Ziel bekräftigt, die angestrebte Zielgröße Jahr für Jahr zu erreichen. Zuvor war der Zuwachs nur bescheiden. Im Jahr der Vereinbarung von Wales startete Deutschland mit einem Anteil der Verteidigungsausgaben von 1,2 Prozent des BIP. Im Zeitraum von 2020 bis 2022 lag der Wert bei rund 1,5 Prozent und damit weiter weit vom Zielwert entfernt. Auch 2023 – im Jahr nach der Zeitenwende – wurden gerade einmal 1,6 Prozent erreicht (Bardt, 2024).

Erst 2024 wird das Nato-Ziel das erste Mal erfüllt (Röhl, 2024). Die Nato geht von einem Gesamtwert von 90,6 Milliarden aus – 55 Prozent mehr als noch zwei Jahre zuvor. Unter dem Strich steht damit ein Anteil von 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Gemessen daran ist die Zeitenwende sichtbar. Dieser Wert setzt sich aus vier Elementen zusammen:

  • Der Verteidigungshaushalt umfasst aktuell 52,0 Milliarden Euro. Vor zwei Jahren waren es mit 50,4 Milliarden nur wenig weniger.
  • Aus dem neu geschaffenen Sondervermögen Bundeswehr kommen dieses Jahr 19,8 Milliarden Euro.
  • Für die Ertüchtigung von Partnerstaaten im Bereich der Verteidigung – vor allem also für die Ukrainehilfe – sind derzeit 7,5 Milliarden eingeplant, im vorletzten Jahr waren es nur 2,0 Milliarden.
  • Hinzu kommt eine nicht erklärte Differenz von 11,4 Milliarden Euro. 2020 lag sie bei 5,9 Milliarden.

Diese nicht erklärte Differenz beinhaltet unterschiedliche Maßnahmen in anderen Teilen des Bundeshaushalts, die ebenfalls zur Verteidigungsfähigkeit beitragen. Welche dies genau sind, ist nicht bekannt – die Bundesregierung hat hier keine Transparenz hergestellt.

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Der nicht erklärte Anteil an den Verteidigungsausgaben nach Nato-Rechnung lag lange bei 2 bis 3 Milliarden Euro und ist zuletzt auf 11,4 Milliarden angestiegen. Gemessen am Haushalt des Verteidigungsministeriums ist dies ein Aufschlag von 22 Prozent gegenüber 6 bis 9 Prozent in den 2010er Jahren.

Der starke Anstieg der Differenz zwischen den nachvollziehbaren Ausgaben und der Meldung an die Nato ist kritisch, weil damit die Sorge aufkommt, dass mit Hilfe eines immer weiter gefassten Begriffs der Verteidigungsausgaben ein größerer BIP-Anteil dargestellt wird als bei alter Zählweise realistisch gewesen wäre. Wenn dem so wäre, wäre das 2 Prozent-Ziel nur auf dem Papier erreicht.

Mit dem aktuell vom Kabinett beschlossenen Bundeshaushalt und der damit verbundenen mittelfristigen Finanzplanung soll das 2 Prozent-Ziel auch in Zukunft erreicht werden. Dafür sind folgende Faktoren ausschlaggebend:

  • Der Etat des Verteidigungsministeriums ändert sich in den nächsten Jahren nur geringfügig. 2025 liegt er mit 53,3 Milliarden um 1,3 Milliarden über dem laufenden Jahr. Danach steigt er minimal auf 53,5 Milliarden im Jahr 2027.
  • Die Ukrainehilfe sinkt im nächsten Jahr auf 4 Milliarden Euro. Danach wird davon ausgegangen, dass sie 2026 und 2027 auf derselben Höhe verbleibt.
  • Aus dem Sondervermögen sind für 2025 22 Milliarden eingeplant. Danach können in den nächsten beiden Jahren die verbleibenden Lücken zum 2 Prozent Ziel in Höhe von knapp 23 und 25 Milliarden geschlossen werden.
  • Wenn der unerklärte Rest mit dem nominalen BIP-Wachstum ansteigt und damit dessen Anteil am BIP konstant bleibt, kommen im nächsten Jahr 11,7 und 2027 12,4 Milliarden Euro hinzu.

Während die nächsten Jahre strukturell den Haushaltsplanungen für 2024 und 2025 ähneln, wird das Jahr 2028 grundlegend anders aussehen. Das Sondervermögen dürfte dann bis auf die Zinszahlungen weitestgehend aufgebraucht sein und keinen spürbaren Beitrag zur Erfüllung der Nato-Quote mehr leisten können. Im Gegenzug muss der Haushalt des Verteidigungsministeriums in vergleichbarere Höhe ansteigen, um bei nominal wachsender Wirtschaft die Nato-Verpflichtung weiter erfüllen zu können.

In der mittelfristigen Finanzplanung ist für den eigentlichen Verteidigungshaushalt ein Anstieg von 53,5 auf 80 Milliarden Euro vorgesehen. Gleichzeitig läuft das Sondervermögen aus. Auch der Haushaltsansatz, der die Ukraine-Hilfe beinhaltet, wird so weit beschnitten, dass diese ab 2028 offenbar nicht weiter eingeplant ist. Der nicht erklärte Teil könnte auf 12,7 Milliarden wachsen. Unter dem Strich würde damit eine Nato-Quote von 2,1 Prozent stehen.

Diese Planung hat aber ein ungelöstes Finanzierungsproblem. Der sprunghafte Anstieg des Verteidigungshaushalts um 26,5 Milliarden Euro muss gegenfinanziert werden. Im Finanzplan findet sich für 2028 eine gleichzeitige Kürzung des Einzelplans 60 (Allgemeine Finanzverwaltung), in dem auch die Ukraine-Hilfe verankert ist, von 31 auf 3 Milliarden Euro. Auch wenn dies rechnerisch aufgeht, ist die faktische und politische Machbarkeit der Streichung fast aller hier zusammengefassten Ausgaben mit erheblichen Risiken verbunden. Die eigentliche Finanzierungsaufgabe wir damit einer neuen Regierung überlassen.

Die Bundesregierung muss zu ihrer Bündniszusage stehen und mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage wird international schon darüber gesprochen, dass eigentlich ein höherer Wert notwendig wäre. Gerade mit einer möglichen zweiten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident wäre eine Zielverfehlung mit erheblichen politischen und sicherheitspolitischen Risiken verbunden. Auch der Verdacht, dass das Ziel nur mit Hilfe von Buchungstricks erreicht wird, muss ausgeräumt werden. Nur eine solide Finanzierung der Bundeswehr ermöglicht die Verteidigungsfähigkeit und die Sicherung des transatlantischen Bündnisses.

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