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Thomas Schleiermacher IW-Kurzbericht Nr. 60 23. August 2024 Künstliche Intelligenz zur Unterstützung der betrieblichen Personalarbeit?

Bei welchen Aufgaben kann Künstliche Intelligenz (KI) die Arbeit von Personalabteilungen in den kommenden fünf Jahren sinnvoll unterstützen? Diese Frage wurde von 752 Personalverantwortlichen im Rahmen der 34. Welle des IW-Personalpanels im Herbst/Winter 2023/24 beantwortet.

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Künstliche Intelligenz zur Unterstützung der betrieblichen Personalarbeit?
Thomas Schleiermacher IW-Kurzbericht Nr. 60 23. August 2024

Künstliche Intelligenz zur Unterstützung der betrieblichen Personalarbeit?

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Bei welchen Aufgaben kann Künstliche Intelligenz (KI) die Arbeit von Personalabteilungen in den kommenden fünf Jahren sinnvoll unterstützen? Diese Frage wurde von 752 Personalverantwortlichen im Rahmen der 34. Welle des IW-Personalpanels im Herbst/Winter 2023/24 beantwortet.

KI warnt vor eigener Bewertung

Fragt man „ChatGPT“ selbst danach, warum Personalverantwortliche KI in der Personalarbeit einsetzen sollten, erhält man in nur wenigen Sekunden eine umfangreiche und geradezu euphorische Antwort. Die KI schließt ihre Ausführungen aber mit dem Hinweis ab, dass die bereitgestellten Informationen nochmals kritisch geprüft werden sollten, um gegebenenfalls unrichtige Informationen selbst zu identifizieren. Und – wie üblich bei einer KI – ohne die Antwort anhand von Quellenverweisen nachvollziehen zu können.

Das IW hat daher die Personalverantwortlichen direkt gefragt und belastbare empirische Daten zum sinnvollen Einsatz von KI in der Personalarbeit erhoben.

Entlastung bei Routineaufgaben

Die befragten Unternehmen erhoffen sich von einer KI-Unterstützung am häufigsten Entlastung bei routinemäßigen und zugleich zeitaufwändigen Aufgaben. Dies kann von der Lohnzahlung über die Urlaubsplanung bis hin zum Aufstellen der Schichtpläne reichen.

Auch wenn der Einsatz von KI bei Routineaufgaben für die Unternehmen sicherlich einen guten Einstieg in die KI-Welt darstellt, sollten aber auch andere betriebliche Bereiche regelmäßig auf das aktuelle KI-Unterstützungspotenzial hin überprüft werden.

Auswertung großer Datenmengen

Einer der Bereiche, in denen KI ihre Mustererkennungs-Algorithmen am besten einbringen kann, ist die Unterstützung bei der Analyse von großen Datenmengen. In der Personalarbeit stellt der Markt der verfügbaren Weiterbildungsangebote eine solche große und je nach Anbieter auch unterschiedlich strukturierte Datenmenge dar. KI-gesteuerte Systeme könnten den Weiterbildungsmarkt systematisch monitoren und nach spezifischen betrieblichen Vorgaben aufbereiten.

Große Datenmengen, die für Rekrutierungsaktivitäten interessant sein können, finden sich auch in den sozialen Medien. Für die Personalabteilungen ist es aber kosten- und zeitintensiv, die Vielzahl sozialer Medien parallel zu beobachten. 28 Prozent der befragten Personalverantwortlichen wünschen sich daher, dass eine KI zukünftig die Personalabteilungen dabei unterstützt, proaktiv interessante Kandidatinnen und Kandidaten zu identifizieren.

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Individuelle Mustererkennung

40 Prozent der befragten Personalverantwortlichen stufen eine KI-Unterstützung beim laufenden Abgleich der verfügbaren Weiterbildungsangebote mit den individuellen Kenntnisständen der Beschäftigten und den betrieblichen Anforderungen als sinnvoll ein. Die für eine solche Mustererkennung notwendigen Datenbestände liegen bereits heute in den meisten Personalabteilungen vor.

Aufgrund der Nutzung unterschiedlicher Softwaresysteme – etwa zur Dokumentation von aktuellen Tätigkeitsprofilen und von absolvierten oder angstrebten Weiterbildungen – bilden diese Daten in vielen Personalabteilungen aber unverbundene Datenpools. Die für eine KI-Unterstützung sinnvolle Zusammenführung möglichst vieler Einzeldatensätze dürfte aber für viele Unternehmen ein größeres Entwicklungsprojekt darstellen. Dieses Hemmnis mag zu einem gewissen Teil auch erklären, dass die befragten Personalverantwortlichen bei der Identifikation von individuell erfolgversprechenden Karrierepfaden nur ein geringes Unterstützungspotenzial durch KI erwarten.

Texte erstellen und analysieren

Über die Hälfte der Befragten erwartet, dass KI bei der Formulierung von Stellenanzeigen eine sinnvolle Unterstützung der eigenen Personalabteilung bieten kann. Zugleich rechnet lediglich ein knappes Drittel mit einer sinnvollen KI-Unterstützung beim Sichten und Sortieren von Bewerbungen. Damit messen die befragten Personalverantwortlichen der Erzeugung von neuen Textmodulen durch eine KI ein spürbar größeres Unterstützungspotenzial bei, als einer KI-unterstützten Strukturierung und Analyse von bestehenden Texten.

Diese unterschiedliche Platzierung bei „text-basierten“ Einsatzbereichen von KI ist überraschend: Die Erzeugung von inhaltlich fehlerfreien Texten ist für viele KI-Systeme derzeit immer noch ein größeres Problem. So ist nicht ausgeschlossen, dass eine KI bestehende „Fakten-Lücken“ in den erzeugten Texten mit frei erfundenen Angaben füllt – die KI „halluziniert“ (vgl. zu Ursachen und Haftungsfragen Büchel/Engler, 2024, 6; 12).

Die einheitliche Strukturierung und Verdichtung von bestehenden Texten, also auch das Sichten und Sortieren von Bewerbungen, ist hingegen dem Bereich der Mustererkennung zugeordnet – eine Aufgabe, die den meisten KI-Systemen in der Regel fehlerfrei gelingt. Es scheint damit zumindest Indizien zu geben, dass die spezifischen Stärken einer KI in diesem Bereich von den befragten Personalverantwortlichen nicht ganz richtig eingeschätzt werden – und damit das Unterstützungspotenzial einer KI bei einigen Aufgaben unterschätzt wird.

Bei der Erstellung von individuellen Texten in der direkten Kommunikation, wie etwa bei der Beantwortung von Fragen durch Interessenten und Bewerbende, finden ebenfalls nur wenige Personalverantwortliche eine Unterstützung durch KI sinnvoll. Eine deutliche Mehrheit der Befragten sieht hier weiterhin eine klare Domäne des Menschen.

Aus HR-Perspektive ist das gering eingestufte Unterstützungspotenzial absolut plausibel: Die Kommunikation mit Interessenten oder Bewerbenden geht weit über eine bloße automatisierte Informationsbereitstellung hinaus, sondern stellt bereits einen ersten (vorgelagerten) Schritt eines erfolgreichen Onboarding-Prozesses dar. Bereits die ersten Kommunikationsschritte führen damit zu einem realistischen, gegenseitigen Kennenlernen. Eine KI als Unternehmensrepräsentantin kann nach Einschätzung der befragten Personalverantwortlichen dieser hohen personalpolitischen Bedeutung des Kennenlernprozesses – zumindest in den kommenden fünf Jahren – nicht gerecht werden.

KI-Affinität nach Unternehmensmerkmalen

Die tief strukturierten Daten des IW-Personalpanels ermöglichen eine differenzierte Analyse der Befragungsergebnisse nach wichtigen betrieblichen Merkmalen. Dazu gehören neben Größenklassen oder Branchenzugehörigkeit auch die Unterscheidung in Familienunter-nehmen und Handwerksunternehmen, der Digitalisierungsgrad, eigene Ausbildungstätigkeiten, das derzeitige Ausmaß von Rekrutierungsproblemen und die Region. Aus empirischer Perspektive zeigt sich, dass die jeweilige Rangfolge der einzelnen Maßnahmen nur vereinzelt und geringfügig zwischen den verschiedenen Unternehmenmerkmale abweichen. Trotz der geringen Differenzen in der Rangfolge, zeigen sich jedoch spürbare Niveauunterschiede nach Unternehmenstypus.

Wenig überraschend ist, dass Unternehmen mit einem vergleichsweise hohen Digitalisierungsniveau die Unterstützungsmöglichkeiten der Personalarbeit durch KI spürbar häufiger als „sinnvoll“ einstufen als Unternehmen, deren Prozesse weniger stark digitalisiert sind. Eine KI-Unterstützung in der Personalarbeit kann immer dann ihre volle Stärke ausspielen, wenn eine große Menge bislang nicht genutzter Daten von der KI erschlossen wird. Da diese Datenmenge aber mit der Anzahl und der Tiefe der digitalisierten Bereiche im Unternehmen sprunghaft zunimmt, werden von den Produktivitätsgewinnen durch KI-Unterstützung nur solche Unternehmen profitieren, die bereits die Herausforderung der Digitalisierung gemeistert haben.  

In den differenzierten Befragungsergebnissen ist auch ein klarer Größenklassentrend abzulesen: In größeren Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten liegt der Anteil der Optimisten hinsichtlich einer KI-Unterstützung in den unterschiedlichen Aufgabenbereichen 20 und mehr Prozentpunkte oberhalb des entsprechenden Anteils der „KI-Optimisten“ in den kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten. Dabei könnten gerade kleinere Unternehmen von einer KI-Unterstützung profitieren: Da sie häufig keine Personalabteilung haben, bieten KI-Tools, die beispielsweise auf Social Media-Plattformen nach geeigneten potenziellen Mitarbeitenden suchen, eine gute Unterstützung.

In der Branchenunterscheidung schätzen insbesondere wirtschaftsnahe Dienstleistungsunternehmen die Möglichkeiten einer KI-Unterstützung in der Personalarbeit optimistischer ein.

Auch in Bezug auf die Ausbildungsaktivitäten eines Unternehmens lassen sich Ergebnisunterschiede feststellen: So schätzen die Personalverantwortlichen aus Unternehmen, die derzeit Azubis ausbilden, das Unterstützungspotenzial von KI in den meisten Aufgabenbereichen optimistischer ein als Unternehmen, die sich aktuell nicht in der dualen Berufsausbildung engagieren.

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